Nordkap 2011
Ziel
Ich wollte mit dem Fahrrad von meinem Wohnort Sarnen ans Nordkap radeln. Die geplante Strecke betrug rund 5000 km. Es war nicht meine Idee möglichst schnell und auf direktestem Weg ans Ziel zu gelangen. Mein Wunsch war es den Weg zu geniessen, Zeit zu haben und einfach nur unterwegs zu sein. Ich wollte viele interessante Erfahrungen sammeln, nette Leute kennen lernen und ganz viele Erinnerung mit nach Hause nehmen.
Warum mit dem Fahrrad ans Nordkap?
Inspiriert von den beiden Ballonfahrern Bertrand Piccard und Brian Jones, die als erste die Erde mit einem Ballon umkreist haben, hatte ich bereits in jungen Jahren die Vision auch einmal etwas aussergwöhnliches und verrücktes zu machen. Im Juli 2000 bereisten meine Frau Irène und ich Skandinavien und unter anderem waren wir auch am Nordkap. Dieser Ort hat mich so fasziniert, dass er für mich bis heute ein mystischer Ort geblieben ist.
Im April 2010 begann ich mit einigen Arbeitskolleginnen und Kollegen ein Aufbautraining mit dem Ziel Lucerne Halbmarathon. Durch das intensive Training habe ich einen guten Fitnessstand erreicht und habe nebenbei 13 kg Körpergewicht verloren. Das war die Basis um etwas verrücktes zu machen, und da es zu Fuss sehr weit ist bis ans Nordkap, habe ich mich dann fürs Fahrrad entschieden.
Vorbereitungen
Ich habe meine Vorbereitung in vier Teilbereiche gegliedert:
- Route
- Persönliches Umfeld
- Training
- Material
Route
Viele Wege führen nach Rom, respektive ans Nordkap. Als erstes habe ich im Internet herumgestöbert und habe viele Reiseberichte von Tourenfahrern gelesen und so verschiedene wertvolle Infos gesammelt. Meine Wunschstrecke über Norwegen hat sich schon bald heraus kristallisiert. Die nötigen Fahrrad-Reiseführer und Fahrradkarten fand ich ebenfalls im Internet. Während vielen Stunden habe ich mir meine Route zusammen gebastelt, verschiedene Unterkünfte im Internet inspiziert und mich auf dieses und jenes vorbereiten. Ich hatte zwar einen Tourenplan, es war mir aber wichtig, dass dieser Plan dynamisch und beweglich war, so dass dieser auch geändert und angepasst werden konnte.
Mein Weg ans Nordkap führte mich durch folgende Länder und Städte:
Schweiz | Luzern, Aarau, Basel |
Frankreich | Neuf-Brisach, Strasbourg |
Deutschland | Breisach, Karlsruhe, Ludwigshafen, Mainz, Koblenz, Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Münster, Osnabrück, Bremen, Hamburg, Schleswig, Flensburg |
Dänemark | Kolding, Odense, Kopenhagen, Helsingør |
Schweden | Helsingborg, Halmstad, Göteborg |
Norwegen | Oslo, Lillehammer, Trondheim, Bodø, Lofoten, Tromsø, Alta, Nordkap |
Etappen
30.05.2011 | Sarnen - Luzern - Sursee - Aarau - Basel | 137 km | 137 km |
31.05.2011 | Basel - Neuf Brisach - Breisach - Sasbach | 102 km | 239 km |
01.06.2011 | Sasbach - Kehl - Strasbourg - Rheinau | 112 km | 351 km |
02.06.2011 | Rheinau - Rastatt - Karlsruhe - Speyer - Otterstadt | 143 km | 494 km |
03.06.2011 | Otterstadt - Ludwigshafen - Mainz | 108 km | 602 km |
04.06.2011 | Ruhetag in Mainz | ||
05.06.2011 | Mainz - Rüdesheim - Koblenz | 104 km | 706 km |
06.06.2011 | Koblenz - Bonn - Köln - Stürzelberg | 137 km | 843 km |
07.06.2011 | Stürzelberg - Düsseldorf - Krefeld - Duisburg - Wesel - Gahlen | 125 km | 968 km |
08.06.2011 | Gahlen - Haltern am See - Dülmen - Münster | 75 km | 1043 km |
09.06.2011 | Ruhetag in Münster | ||
10.06.2011 | Münster - Osnabrück - Lembruch | 128 km | 1171 km |
11.06.2011 | Lembruch - Diepholz - Bremen - Wilstedt | 120 km | 1291 km |
12.06.2011 | Wilstedt - Sittensen - Hamburg | 109 km | 1400 km |
13.06.2011 | Hamburg - Wedel - Neumünster - Nortorf | 134 km | 1534 km |
14.06.2011 | Nortorf - Rendsburg - Schleswig - Flensburg | 109 km | 1643 km |
15.06.2011 | Flensburg - Krusa - Aabenraa - Kolding - Middelfart | 119 km | 1762 km |
16.06.2011 | Middelfart - Odense - Nyborg - Korsor - Slagelse | 107 km | 1869 km |
17.06.2011 | Slagelse - Ringsted - Roskilde - Kopenhagen | 92 km | 1961 km |
18.06.2011 | Ruhetag in Kopenhagen | ||
19.06.2011 | Kopenhagen - Helsingoer - Helsingborg - Östra Karup | 107 km | 2068 km |
20.06.2011 | Östra Karup - Halmstad - Falkenberg | 90 km | 2158 km |
21.06.2011 | Falkenberg - Varberg - Kungsbacka - Göteborg | 123 km | 2281 km |
22.06.2011 | Göteborg - Stenungsund - Henan - Haby | 112 km | 2393 km |
23.06.2011 | Haby - Halden - Sarpsborg | 121 km | 2514 km |
24.06.2011 | Sarpsborg - Moss - Oslo | 106 km | 2620 km |
25.06.2011 | Ruhetag in Oslo | ||
26.06.2011 | Oslo - Jevnaker – Tangen – Horn – Hov | 132 km | 2752 km |
27.06.2011 | Hov - Dokka - Lillehammer | 77 km | 2829 km |
28.06.2011 | Lillehammer - Ringebu - Otta | 118 km | 2947 km |
29.06.2011 | Otta - Dombas - Hjerkinn - Oppdal | 128 km | 3075 km |
30.06.2011 | Oppdal - Storen - Trondheim | 125 km | 3200 km |
01.07.2011 | Ruhetag in Trondheim | ||
02.07.2011 | Trondheim - Vanvikan - Mosvik - Steinkjer | 113 km | 3313 km |
03.07.2011 | Steinkjer - Namsos - Hofles | 136 km | 3449 km |
04.07.2011 | Hofles - Kolvereid - Vennesund - Skogmo | 120 km | 3569 km |
05.07.2011 | Skogmo - Forvik - Sandnessjoen - Nesna | 106 km | 3675 km |
06.07.2011 | Nesna - Kilboghamn - Jektvik - Foroy | 119 km | 3794 km |
07.07.2011 | Foroy - Vassdalsvik - Vag | 94 km | 3888 km |
08.07.2011 | Vag - Bodo (Fähre) - Moskenes (Fähre) - Leknes | 65 km | 3953 km |
09.07.2011 | Leknes - Svolvaer - Melbu | 104 km | 4057 km |
10.07.2011 | Melbu - Sortland - Flesnes - Harstad | 111 km | 4168 km |
11.07.2011 | Harstad - Engenes (Fähre) - Setermoen - Bardufoss | 110 km | 4278 km |
12.07.2011 | Bardufoss – Nordkjosbotn – Tromsø | 136 km | 4414 km |
13.07.2011 | Ruhetag in Tromsø | ||
14.07.2011 | Tromsø – Breivik – Lyngseidet – Storslett | 120 km | 4534 km |
15.07.2011 | Storslett - Burfjord - Langfjordbotn | 94 km | 4628 km |
16.07.2011 | Langfjordbotn - Talvik - Alta | 76 km | 4704 km |
17.07.2011 | Alta - Skaidi - Olderfjord | 118 km | 4822 km |
18.07.2011 | Olderfjord - Honningsvag - Nordkap (130) - Honningsvag | 163 km | 4985 km |
Persönliches Umfeld
Als erstes habe ich meine Vision meiner Frau Irène präsentiert. Zu meiner Überraschung ist sie gar nicht erschrocken über meine Pläne. Da ich schon seit ewig von so einem Projekt geträumt (und davon gesprochen) habe, hat sie damit gerechnet, dass ich irgend einmal damit kommen würde. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie mich unterstützt, denn ohne ihr Einverständnis hätte sich meine Vision in Luft aufgelöst oder es hätte allenfalls eine light Version gegeben.
Beim Arbeitgeber hatte ich schon früh einen drei monatigen unbezahlten Urlaub beantragt, der dann schon bald gut geheissen wurde. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Bruno, der während meiner Tour meine Arbeit übernommen hat.
Training
Ich holte mir bereits im Jahr 2010 eine gute Grundbasis mit dem Marathon Lauftraining. Ab Januar 2011 habe ich dann offiziell mit dem Training für das Projekt Nordkap 2011 begonnen. Die Grundkondition habe ich vor allem auf dem Hometrainer und mit Jogging erarbeitet. Das herrliche Frühlingswetter erlaubte es mir dann aber schon bald das Training auf die Strasse zu verlagern.
Material
Als erstes habe ich mir das Velo-Handbuch von VELOPLUS besorgt. Da ist alles drin, was das Radfahrerherz begehrt. Die Beratung vor Ort im Laden war sehr gut und kompetent. Schliesslich habe ich doch einige Stunden dort verbracht, bis ich das Material zusammen hatte.
Das wichtigste ist natürlich das Fahrrad. Mein Tourenrad fand ich nicht gleich auf Anhieb. Erst Leo Windlin von bike windlin Sarnen überzeugte mich mit seiner fachmännischen Beratung und Erfahrung von meinem neuen Tourenrad von Aarios. Ich konnte das Velo modular zusammenstellen. Zuerst der Rahmen, dann die Schaltung, die Pedalen, der Sattel ................bis zur Farbe des Rahmens. Unglaublich was da alles zusammen kommt. Ich bin mega stolz auf mein Aarios Tourenrad, ein echtes Schweizer Produkt, auf das ich mich in der Ferne vollständig verlassen konnte.
Erkenntnisse
Ich habe sehr viel gesehen und erlebt, viele interessante Leute kennen gelernt, mich kennen gelernt und viele Erfahrungen gesammelt. Was bleibt sind die Erinnerungen und die schönen Bilder, die ich für immer in mir gespeichert habe.
Für ein solches Projekt braucht es Ausdauer, Individualität, Beständigkeit, Beharrlichkeit, den Glauben an sich selber und an das Ziel, Zuversicht, einen starken Willen, ein bisschen Glück, viel Freude und Spass und vielleicht einen gewissen Grad an Verrücktheit. Es braucht aber vor allem auch eine grosse Portion Mut, um sich eine Auszeit zu nehmen. Verständnis und Unterstützung vom ganzen Umfeld im Speziellen von der Familie.
Aber es ist wirklich empfehlenswert, sich für eine kurze oder auch längere Zeit vom Alltag zu verabschieden. Ich bereue keine Minute und würde sofort wieder los fahren!
Tagebuch
30. Mai 2011 Sarnen - Basel 137 km
Endlich ist er da der 30. Mai 2011. Jetzt gehts los! Kurz vor 8 Uhr setzte ich mich auf mein Aarios Tourenrad, das mit Gepäck von unglaublichen 44 kg beladen ist. Ich fühlte mich wie ein voll beladener LKW, nur der Anhänger fehlte. Begleitet von Irène und Alena radelten wir zum Startplatz auf den Landenberg. Ich war überwältigt wie viele Freunde und Bekannte mich verabschieden wollten, allen ein herzliches Dankeschön. Es war einer meiner emotionalsten Momente im Leben. Ich nahm meine Familie in den Arm und sagte auf Wiedersehen, bestieg mein Rad und bin mit Tränen in den Augen abgefahren.
Ein kurzer Abstecher zu meinen Arbeitskollegen bei der Raiffeisen in Sarnen, die mich mit wehenden Raiffeisenfähnchen verabschiedeten, dann gings definitiv Richtung Norden. Okay, ich machte noch einen Abstecher auf meiner Abschiedstour bei der Raiffeinsbank in Alpnach und in Luzern erwartete mich das UBS Pausengröppli. Von Luzern aus gings dann Richtung Rothenburg, Sempach, Sursee, Schöftland nach Aarau.
Unterwegs gibt es einiges zu sehen und zu bestaunen. Habt ihr übrigens gewusst, dass es in Sempach ein Schweizerisches Schweinezentrum gibt? Foto folgt. (habe mein Fotokabel vergessen) Das Nach Aarau gings dann Bergauf über die Schafmatt bei Rohr (812 m.ü.M) Der Radweg führte zuerst auf Grunstrassen durch den Wald. Anscheinend habe ich mich im Wald verfahren und ich war vor einer Weggabelung mit vier Strassen. Welche sollte ich nun nehmen? Da stand plötzlich ein Ehepaar vor mir, das mir den richtigen Weg zeigte. Zufall? Sicher hilfreich. Der Aufstieg verlief gleichmässig gut, doch die letzten 3 km waren einfach zu viel. Es war so steil, die Sonne prasselte herunter und mir, mit meinem 44 kg Gepäck, ging allmählich die Luft aus. Man war das anstrengend! Irgendwann bin ich dann auf der Schafmatt (habe sie umgetauft in Schafse….l) angekommen. Die Abfahrt genoss ich in vollen Zügen, und die restlichen 40 km nach Basel musste ich schon ziemlich auf die Zähne beissen! Die glühende Hitze trieb mir den Schweiss aus allen Poren. Aller Anfang ist schwer? Oder streng? Auf jeden Fall ist er geschafft. Um 19.30 Uhr, etwas verspätet bin ich glücklich vor der Jugi im St. Alban in Basel angekommen. Gepäck abladen, auf Zimmer tragen, ich muss unbedingt Balast abwerfen, damit ich weniger dabei habe. Habe ja eine Woche Zeit, dann kann ich das was ich nicht benötige Irène mitgeben. Ich frage mich bloss was? Die langen Unterhosen vielleicht.
Mit dem Zimmerbezug ist mein Arbeitstag aber noch nicht zu Ende. Kleider waschen, Bett anziehen (ich liebe es, gäll Irène) und auspacken. Ich habe noch nicht alles im Griff, doch ich bin zuversichtlich. Es war ein sehr bewegender Tag für mich.
Erkenntnis des Tages: Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt oder Tritt (auch wenn er noch so hart ist)
31. Mai 2011 Basel - Sasbach 102 km
Um 7 Uhr klingelte mein Natel, aufstehen. Zusammen mit meinem Zimmerkollegen einem Engländer assen wir das Frühstück. Ich fühlte mich heute gut und fit. Das linke Knie schmerzt vom Vortag, aber das wird hoffentlich auch vorbei gehen. Das Wetter war stark bewölkt, aber es regnete nicht und die Temperaturen waren wesentlich angenehmer als gestern! Aufgrund der schlechten Wettervorhersage habe ich mich entschieden auf den Abstecher nach Freiburg zu verzichten. Alles wieder beladen gings durch die Innenstadt von Basel. Ich musste unbedingt noch den Hammer-Man sehen vor dem ehemaligen Bankverein.
Dann gings Richtung Deutschland, genau um 10.05 Uhr verliess ich die Schweiz. Irgendwie habe ich den Radweg nicht gefunden und habe mich dann entschieden die Seite zu wechseln und bin nach Frankreich rüber geradelt. So fuhr ich nun auf der linken Seite Richtung Neuf-Brisach. Auf schönen Radwegen ging es dem Rhein entlang, nur der Wind war gegen mich und blies mir ständig ins Gesicht. Ausser als ich mich verfahren habe, hatte ich doch wenigstens 3 km Rückenwind. Das Wetter war immer noch trocken, aber es wurde immer dunkler. Bisher hatte ich Wetterglück, denn links und rechts machte es den Anschein, dass es regnet. Die Radwege waren sehr schön in die Natur eingebettet, ein Abschnitt führte über mehrere Kilometer durch den Wald, einfach schön. Vor Neuf-Brisach vielen dann schwere Tropfen vom Himmel und ich entschloss mich das Gepäck mit der Regenhülle einzupacken. Nach einer kurzen Tour durch Neuf-Brisach habe ich dann wieder die Seite über den Rhein nach Deutschland gewechselt. Breisach das hübsche Städtchen mit dem schönen Münster war das nächste Ziel. Eigentlich wollte ich in Breisach auf dem Camping übernachten, doch bei diesen Wetteraussichten habe ich ein Hotel vorgezogen. Margrit Arregger hat mir vorgängig ein Hotel in Sasbach empfohlen, wo ich auch Unterschlupf gefunden habe. Die letzte Teilstrecke führte auf dem Rheindamm dem Etappenziel entgegen. Und dann ist es doch noch passiert, bei Kilometer 99 hat es begonnen zu regnen. Die letzten 3 km, war mir doch egal, bin ich im Regen zum Hotel geradelt.
Im Hotel durfte ich das Zimmer aussuchen. Ein kleines Zimmer mit Dusche in der 2. Etage oder ein grosses Zimmer mit Badewanne in der 3. Etage. Da es keinen Lift hatte, ist mir der Entscheid nicht einfach gefallen. Schliesslich habe ich mich für die Badewanne entschieden. Die 44 kg Gepäck wieder nach oben geschleppt, in die 3. Etage und dann bin ich in die Badewanne abgetaucht. Nach der Körperreinigung, Kleider waschen, Velokette schmieren mit Öl und als Dessert konnte ich noch mein Nessecaire reinigen, weil das Shampoo ausgelaufen ist. Super danke viel mal, wenigstens war das Bett angezogen.
Die heutigen 102 km sind gut verlaufen, schöne Radwege in mitten der Natur und das alles fast auf flachem Terrain. Ich muss mich nun Tag für Tag an meinen neuen Tagesablauf gewöhnen. Step by step, Etappe um Etappe ans Ziel und der nächste Tag ist der wichtigste.
Erkenntnis des Tages: Man reist nicht nur um anzukommen, sondern vor allem um unterwegs zu sein.
1. Juni 2011 Sasbach - Rheinau 112 km
Um 7 Uhr war heute wieder Tagwache, obwohl das Frühstück erst ab 8 Uhr serviert wurde. Hatte ja noch was zu packen und zu beladen! Nach dem reichhaltigen Frühstück nahm ich meinen beladenen Laster wieder unter das „Arsch“ und startete von Sasbach Richtung Rhein. Das Wetter war stark bewölkt, sehr frisch (11 Grad) aber trocken. Der Gegenwind war heute grauenhaft, ich brachte einfach kein Tempo auf den Tacho! Leicht genervt verliess ich den Rheindamm und fuhr über die Landstrasse nach Rust, am Europapark VORBEI! Eine runde auf der Achterbahn wäre eine tolle Alternative gewesen, doch das Tagesziel war ein anderes. Nach dem Abstecher auf der Strasse führte mich der Weg wieder an den Rheindamm. Ich kämpfte mit allen Kräften gegen den Gegenwind, ein ungleicher Kampf, unfair. Aber da waren ja noch diese vielen grossen, herzigen Hüslischnecken auf dem Weg. Ich war sehr bemüht, dass ich keinen überfahre, und das war gar nicht so einfach mit meinem Lasterzug. Oder anderes gesagt machte ich heute nicht (noch nicht) den Elchtest sondern den Schneckentest.
Um 12.15 Uhr gab ich den Kampf gegen den Wind auf und ass auf dem Rheindamm auf einem Bänkli meine restlichen Hörndli mit Bouillon vom Vortag. Es war nicht wirklich lecker, aber es tat gut. Ich hatte gerade mal 35 km auf dem Zähler, das war wirklich nicht viel!
Als der Weg wieder vom Damm abzweigte fuhr ich an einem Kieswerk vorbei, da hielt mich ein Autofahrer an und fragte, welches mein grosses Ziel sei. Ans Nordkap sagte ich stolz. Der Typ flippte fast aus, er war 1999 mit dem Velo von Kehl ans Nordkap geradelt und über Finnland wieder zurück (auch mit dem Rad – Crazy Men) Er war 4 ½ Monate unterwegs und es sei eine geniale Zeit gewesen. Nach einem intensiven und interessanten Gespräch fuhr ich weiter. Eine unglaubliche Begegnung.
Ich glaube der Rhein ist heute in die Gegenrichtung geflossen, es sah wegen dem Wind auf jeden Fall so aus. Da kam mir ein junger Tourenfahrer entgegen, voll beladen, T-Shirt; Heilandsandalen, ein alter Göppel unter dem Arsch, aber er war etwa 4 mal schneller als ich, natürlich mit dem Wind im Rücken. Ich kam mir vor wie ein BMW-Fahrer der von einem alten VW-Käfer überholt wird und nicht mehr aus der Maschine heraus bringt!
Am späteren Nachmittag erreichte ich Strasbourg. Eine schöne Stadt mit ihren alten Gebäude und der imposanten Kathedrale. Die haben übrigens Radwege in der Stadt, wenigstens sind da die Franzosen einmal Vorbilder. Ich hatte einen schönen Aufenthalt in Strasbourg und machte mich wieder auf den, um aus der Stadt zu radeln. Das ist einfacher gedacht als getan. Irgendwie hatte ich die Karte nicht im Griff oder der Orientierungssinn verliess mich und ich bin im Hafen in einer Sackgasse gelandet. Umkehren und beim zweiten Male klappte es auf Anhieb. Auf schönem asphaltiertem (endlich wieder Asphalt, das rollte so schön) Weg ging es lange Zeit im Wald weiter. Die letzten Kilometer liefen wie am Schnürchen, diesmal ohne Wind. Nachdem ich wieder den Rhein überquert hatte war ich in Deutschland und suchte mir ein Hotel und fand einen netten Gasthof in Rheinau. Der Tacho zeigte 112 km an, wer hätte das gedacht am Mittag.
Abladen, duschen, waschen, essen, schreiben, vorbereiten und schlafen gehen so sah das Abendprogramm aus. Mittlerweilen habe ich mich an den neuen Alltag gewöhnt, habe sogar vergessen was heute für ein Wochentag ist, für mich ist Tag Nr. 3. Morgen geht’s weiter nach Karlsruhe und Mannheim.
Erkenntnis des Tages: Auch ein VW-Käfer kann schneller sein als ein BMW!
2. Juni 2011 Rheinau - Otterstadt 143 km
Um 9 Uhr fuhr ich wieder voll beladen und mit einem reichhaltigen Frühstück im Magen los zur 4. Etappe. Das Wetter zeigte sich heute von der angenehmen Seite, ideal zum radeln. Sonnig warm aber nicht zu heiss! Auf wunderschönen Radwegen durch Wiesen und Wald gings zügig nach Rastatt. Okay, der Wind machte mir zwischendurch wieder einen Strich durch die Rechnung. Kämpfen, auf die Zähne beissen, Grind abä ha und trättä! Ich entschloss mich anschliessend eine Abkürzung auf einer Hauptstrasse zu machen und verliess den Rhein. Endlich wieder richtigen Asphalt unter den Rädern. Übrigens Asphalt ist nicht gleich Asphalt! So rollte ich schwungvoll nach Rastatt wo ich vor der Barockresidenz eine Rast machen musste. So wie es der Namen des Ortes bereits sagt.
Voll motiviert und mit viel Zuversicht fuhr ich ab Richtung Karlsruhe. Da es auf dieser Hauptstrasse bisher so gut rollte, entschloss ich mich weiter auf dieser Hauptstrasse zu fahren. Das war ein Fehler! Die Einfahrt erinnerte mich an eine Autobahn und nun gab es auf der Seite auch keinen Radstreifen mehr, schöne Scheisse dachte ich mir. Voll konzentriert steuerte ich meinen Lasterzug Richtung Karlsruhe. Da heute ein Feiertag war, waren wenigstens keine LKW’s unterwegs. An einer Kreuzung vor Karlsruhe verkaufte eine Frau frische Erdbeeren, und ich konnte nicht widerstehen. Einige habe ich gleich probiert und die restlichen habe ich mir für Karlsruhe wieder in meine Fressbox eingepackt.
In Karlsruhe angekommen steuerte ich Richtung Schlossgarten und Schloss. In dieser riesigen Parkanlage stellte ich mein Rad an einen Baum, legte mich in den Rasen, lag an der Sonne und genoss meine frischen Erdbeeren. Einfach nur schön, ich glaube jetzt bin ich angekommen im Abenteuer Nordkap 2011. Weiter gings wieder auf dem Rheinradweg und der verlief diesmal wieder auf der linken Seite. Nur diesmal war links nicht mehr Frankreich sondern auch Deutschland. Das Verkehrsaufkommen auf dem Rheinradweg war heute sehr gross. In Germersheim war der nächste Halt, eine Stadt mit verschiedenen Festungen und Burgruinen. Es war bereits 18 Uhr und ich brauchte nun dringend eine Cola. Ich habe in dieser Woche so viel Cola getrunken, wie die letzten zehn Jahre zusammen gezählt.
Da das Wetter nun bereits sommerlich warm war, habe ich mich entschieden heute einen Campingplatz aufzusuchen. Ich entschloss mich bis nach Speyer zu fahren und dann in der nächsten Ortschaft in Otterstadt mein Zelt aufzuschlagen! Speyer ist eine wunderschöne Stadt, sehr sehenswert. Um 20 Uhr war ich endlich im Camping in Otterstadt. Dann die grosse Ernüchterung! Dies sei ein privater Camping, nur für Mitglieder. Oder ich könnte oder sollte……. Halt Übung abgebrochen, Hotel Linde in Otterstadt war meine Bleibe für diese Nacht. Eigentlich habe ich mir vorgestellt vor dem Zelt meine Ravioli zu kochen und den schönen Abend zu geniessen. Okay, ich habe mir den Spass nicht nehmen lassen und habe nach dem Duschen und dem Waschen um 22 Uhr die Ravioli auf dem Zimmer gekocht, und zum Dessert gabs Erdbeeren. Lecker!
Erkenntnis des Tages: Der schnellste Weg ist nicht immer der Beste.
3. Juni 2011 Otterstadt - Mainz 108 km
Heute bin ich bereits um 6 Uhr aufgestanden mit dem Ziel um 7 Uhr abzufahren. Schliesslich wollte ich pünktlich in Mainz sein, wenn Irène heute mit der Bahn um 16 Uhr ankommt. Frauen warten nicht gerne auf Männer! (und umgekehrt übrigens auch) Mit den obligaten fünf Minuten Verspätung gings bei wunderschönem Sommerwetter ab nach Mainz. Wie schon am Vortag lief es auch heute sehr gut, ich fand sehr schnell den Rhythmus und fühlte mich hervorragend. Kein Wunder, denn heute kommt ja Irène! Das erste Teilziel war die Industriestadt Ludwigshafen. Die einzige touristische Attraktion ist dort wohl die BASF Werke. Eine Strasse über mehrere Kilometer und ein Gebäude nach dem anderen und alle gehören zu BASF. Imposant! Auf der rechten Seite des Rheins sah man nach Mannheim rüber. Auf einen Besuch der Stadt habe ich verzichtet, aus Aberglaube! Schliesslich will ich noch nicht Heim.
So pedalte ich aus der Stadt heraus an den BASF Werken vorbei. Kaum wieder aus der Stadt sah ich dutzende freilebende Feldhasen. Die waren so mutig und hoppelten mir laufend vor dem Laster durch. Ich habe mir gesagt, wer bremst der verliert! In Australien ist das auch so mit den Kängurus, oder? Nein, eigentlich hatte ich Angst vor den Hasen, denn ich dachte mir, das sind alles entlaufene Versuchskaninchen von BASF. Und wer weiss mit was die angesteckt sind. In einem Bistro kaufte ich mir einen Schoggi-Gipfel, eine Kirschentasche, ein kleines Baguette und ein Snickers. Zweites Frühstück heute, die Beine werden es verdanken. Wahnsinn ich werde zur „Fress-Maschine“!
Nächster Halt war in Worms. Kurze Tour durch die Stadt und weiter nach Rheindrückheim (cooler Name) und Oppenheim. Oppenheim ist umgeben von Weinbergen und berühmt für seine Weissweine. Der Weg nach Oppenheim war aber sehr holprig, nicht Radweg würdig. So ähnlich wie das Radrennen Paris-Roubaix! Dafür wurde ich anschliessend mit einem schönen Weg durch die Weinberge belohnt. Auf dem Weg fuhr über eine längere Zeit mit einer Reisegruppe aus Hannover mit. Die machen eine Dreitagesfahrt am Rhein und wir hatten interessante Gespräche. So treffe ich immer wieder Leute mit denen ich laufend ins Gespräch komme. Ich sehe ja schliesslich auch aus wie ein Exote, die Blicke sind auf mich gerichtet, daran muss ich mich wohl gewöhnen müssen.
Das Etappenziel Mainz war nach 107 km um 14.30 Uhr erreicht. Das Hotel beim Bahnhof fand ich gleich auf Anhieb. Abladen, duschen, waschen, schön machen und Irène abholen am Bahnhof. Ich freute mich auf ihren Besuch. So spazierten wir zur Rheinpromenade und nahmen einen Apèro am Mainz Strand und assen anschliessend auf dem Domplatz das Nachtessen. Es war ein sehr schöner Abend. Nun freue ich mich auf den morgigen Ruhetag. Mario Barth wartet in Frankfurt auf uns, yupie!!
Erkenntnis des Tages: Morgenstund hat Gold im Mund oder Power in den Beinen.
4. Juni 2011 Ruhetag in Mainz
Auch am ersten Ruhetag war um 8 Uhr Tagwache. Nachdem wir uns hübsch gemacht haben und das Frühstück im Hotel eingenommen hatten, machten wir uns auf den Weg in die Altstadt von Mainz. Unser Ziel war es heute die Mainzelmännchen vom ZDF zu finden. Das Wetter war übrigens sommerlich heiss, kurze Hose und T-Shirt waren angesagt. Irène hatte noch „Winterkleider“ aus der Schweiz mit dabei, die brauchte sie definitiv nicht. Wir waren richtige Touristen und nahen das Touristenbähnli und kurvten eine Stunde in Mainz umher. Mainz ist eine sehr interessante kleine Stadt, vor allem bekannt durch den Fasching und das ZDF, das von Mainz aus sendet. Die Mainzelmännchen haben wir übrigens nicht gefunden, die waren wohl bei der Arbeit! Was macht Mann und Frau in einer Stadt wenn die wichtigsten Sehenswürdigkeiten besichtigt wurden? Genau – sie gehen auf Shopping-Tour. Wir haben sogar das eine oder andere gefunden und gekauft.
Um 15 Uhr gings dann mit dem Zug von Mainz nach Frankfurt in die Commerzbank Arena. Wir hatten seit Dezember 2009 Tickets von Mario Barth, und heute war die Aufführung im Stadion mit 46‘000 Zuschauern. Wir waren um etwa 16 Uhr im Stadion und kaum unter dem gedeckten Dach, brach ein grosses Gewitter über Frankfurt herein. Als Vorgruppe kam doch tatsächlich DJ Bobo. Er legte eine riesen Show hin während den 30 Minuten die er zur Verfügung hatte. Das Publikum war aus dem Häuschen und ich übrigens auch. Es lächeln ja sehr viele über DJ Bobo, aber ich finde den Kerl gut, er macht einen super Job und repräsentiert die Schweiz sehr gut. Wir dürfen stolz sein auf solche Artisten und müssen nicht immer an ihnen herum nörgeln! Dass dies nun auch einmal gesagt ist! Die restlichen Vorgruppen waren zum Vergessen. Um 20.30 Uhr startete dann endlich Mario Barth sein Programm: Männer sind peinlich, Frauen manchmal auch. Super Bühne, super Show, ein tolles Publikum und eine gigantische Stimmung. Obwohl wir das Programm schon gesehen haben, es war ein unvergessliches Erlebnis.
Erkenntnis des Tages: Männer sind tatsächlich peinlich und Frauen aber manchmal auch!
5. Juni 2011 Mainz - Koblenz 104 km
Um 8 Uhr gings auch heute wieder aus den Federn. Nach dem gemeinsamen Frühstück haben Irène und ich einzeln unsere Sachen gepackt. Ich habe mich noch vom einten oder anderen getrennt und Balast abgegeben. Zur allgemeinen Beruhigung, die langen Unterhosen habe ich behalten, denn in Norwegen könnte es tatsächlich kalt werden. Irène hat mir noch Sachen gebracht, die ich vergessen hatte z.B. einen Adapter für die Steckdosen. Die deutschen haben nicht dieselben Steckdosen wie wir. Unglaublich! Weiter habe ich Nachschub von meinem geliebten Bü… Bü…. Bündnerfleisch erhalten und von Fabio und Alena habe ich eine schöne Zeichnung erhalten. Danke Kids! Für alle die es wissen möchten, den Rasierapparat habe wieder an Irène mitgegeben und wenn dann mein Bart sooooooo lange ist, werde ich in der Adventszeit den Samichlais machen.
Als alles verstaut war, habe ich mein Rad beladen und habe Irène zum Bahnhof begleitet. Nun hiess es definitiv Abschied nehmen für die nächsten zwei Monate. Mit einem kribbeln im Bauch sagten wir uns auf Wiedersehen und winkten uns zum Abschied nochmals zu. Der Zug fuhr weg und mit ihm Irène. Zurück im Hotel nahm ich mein Rad und machte mich um 11 Uhr auf den Weg nach Koblenz, dies ist mein heutiges Tagesziel. Zuerst gings wieder über den Rhein und auf der rechten Seite bis nach Rüdesheim. Dort nahm ich zum ersten (aber sicher nicht zum letzten Mal auf meiner Reise) Mal die Fähre nach Bingen. Weinberg um Weinberg reiht sich in dieser Region an einander. Eine sehr schöne Gegend. Dann wird der Rhein in ein enges Tal gezwängt und die Flussbreite ist nur noch sehr schmal. Unglaublich schön das ganze anzusehen und auf jedem Felsen steht eine Burg oder ein Schloss. Alle fünf Minuten holte ich meinen Fotoapparat aus der Tasche und knipste ein Foto. Ich fühlte mich nun nicht mehr wie ein LKW Fahrer sondern wie ein Cowboy auf seinem Pferd der von Fort zu Fort reitet. Dann noch ein mystischer Moment, auf der anderen Flussseite sah ich plötzlich den 130 Meter hohen Felsen, die Loreley. Ein sagenumwobener Felsen, und ich und mein Pferd haben es geschafft die Passage ohne Komplikationen zu durchqueren.
Das heisse Sommerwetter hat den Nachteil, dass es immer wieder Gewitter geben kann. So machte mich eine Reisegruppe darauf aufmerksam, dass ich mich nicht beeilen solle, denn 500 Meter weiter vorne würde es Regnen. Ich machte eine kleine Pause und packte mein Gepäck in die Regenhülle ein. Tatsächlich fuhr ich auf nasser Strasse weiter, aber es regnete nicht. Ich hatte Glück, das Gewitter war nämlich vor mir. Doch leider verliess mich das Glück 20 km vor dem Tagesziel. Das Gewitter kehrte um und alles wurde weiss und die Felsen verschwanden. Ich flüchtete in einen Garagenunterstand und Sekunden später prasselte der Regen auf die Erde. Ein Rentnerpaar aus Rostock, das ebenfalls mit dem Rad unterwegs war, gesellte sich zu mir. Wir hatten eine nette Unterhaltung über dies und das und natürlich über unsere Velotouren. Es fehlte nur der Apéro und etwas zum knabbern. Zwischenzeitlich hagelte es sogar, und das Gewitter blieb irgendwie stehen über uns. Nach einer Stunde war der ganz Spuck vorbei und die Reise konnte weiter gehen. So nahm ich die letzten 20 km in Angriff und fuhr nach Koblenz. Die Bundesgartenschau ist zur Zeit in Koblenz und daher hatte es verschiedene Umleitungen und sonstige Hindernisse in der Stadt. Camping heute? Nein, ist mir zu nass, ich suchte mir ein Hotel. In der Hafengegend steuerte ich ins erste Hotel und fragte nach einem Zimmer, für 30 Euro habe ich eines erhalten. Ein Schnäppchen oder? Das Wirtepaar stammt aus Serbien und führt zusammen das Hotel. Pichi wäre nie mit mir in dieses Hotel gekommen ;-) Die haben mich da aufgenommen wie einen Verwandten. Ich kam mir vor, als würden wir uns seit 10 Jahren kennen. Weil heute Sonntag war, bestellte ich mir eine Zwiebelsuppe und ein argentinisches Rindsentrecote mit Pommes, einfach nur lecker. Dazu eine Cola und ein Bier. Zum Dessert brachte mir der Wirt frische Kirschen. Nach dem unterhaltsamen Abend ging ich auf mein Zimmer im 3. Stock und ging zufrieden zu Bett.
Der Ruhetag tat mir gestern sehr gut. Mein Knie hat sich von den Strapazen erholt und mein Allerwertester war auch glücklich für einmal nicht x-Stunden auf dem Sattel zu verbringen. Die erste Woche meines Abenteuers ist bereits vorüber, aller Anfang ist schwer. Ich habe mich mittlerweilen gute eingelebt und freue mich auf die nächsten Wochen und bin gespannt, was mir diese alles noch bringen werden. Euch allen zu Hause besten Dank für die vielen Gästebucheinträge, die guten Wünsche und euer mitfiebern.
Erkenntnis des Tages: Der wahre Halt in einer Beziehung liegt beim los lassen.
6. Juni 2011 Koblenz - Stürzelberg 137 km
Was für eine Freude heute. Der Wetterbericht hatte Regen angekündigt, stattdessen schien um 6.30 Uhr als ich aufgestanden bin bereits die Sonne. Also packte ich alles ein, inklusive der Regensachen, und ass dann noch das Frühstück im Zimmer. Im Zimmerpreis von 30 Euro war kein Frühstück dabei, egal ich hatte noch eine sehr dunkel gelbe fast schon schwarze Banane sowie Müesli im Gepäck und das reichte fürs erste. Um 7.30 Uhr sattelte ich mein Pferd und weiter gings Rhein aufwärts.
Die heutige Tour führte immer links dem Rhein nach und war leider nicht mehr so interessant wie gestern. Viel Industrie habe ich auf dem Weg gesehen, Degussa Werke, Ford Werke und noch einige andere. Aber es gab durchaus auch schöne Passagen wie die Rheinpromenade in Bad Breisig oder historische Orte wie die Brücke von Remagen. (1945 im zweiten Weltkrieg konnten hier die alliierten Truppen erstmals den Rhein überqueren) Auf einer Parkbank genoss ich wieder mein zweites Frühstück, das ich kurz vorher in einer Bäckerei gekauft hatte. Eine riesen mega grosse Nussschnecke sowie ein Rosinenbrötchen, lecker. Das nächste grosse Ziel war nun Bonn, die ehemalige Bundeshauptstadt von Deutschland und Geburtsstadt von Ludwig van Beethoven. War schon jemand in Bonn? Macht nichts, ihr habt nichts verpasst. Enttäuscht habe ich die Stadt wieder am Rheinufer verlassen und galoppierte nun in Richtung Köln. Ich war gespannt auf die Dom Stadt und ich wurde nicht enttäuscht. Schon der erste Anblick mit den modernen Hochhäusern und im Hintergrund der Dom. So genoss ich zuerst an der Rheinpromenade eine Zuckerpause mit einer Cola und einem Snickers. Plötzlich benötige ich wieder eine Ration um meine Speicher aufzufüllen. Dann gings zum Dom. Einfach nur gigantisch, er hat mir so ziemlich imponiert. Leider konnte ich ihn von innen nicht besichtigen, weil Pferde nicht rein dürfen!
So ging es weiter und die nächste Metropole die auf uns wartet ist Düsseldorf. Vor mir waren wieder dicke dunkle Wolken aufgezogen. Schon wieder ein Gewitter wie gestern? Das Gewitter von Sonntag hatte in der Region grosse Schäden angerichtet. Vor Bonn in einem Waldstück lagen hunderte von Äste am Boden, sogar einzelne Bäume sind umgeknickt! Die Stadtarbeiter von Bonn und Umgebung haben für diese Woche genug Arbeit. Heute hatte ich wieder Wetterglück, das Gewitter war bereits vor mir hier und zog weiter! Schön, wir pedalten also weiterhin im Trockenen weiter. Doch kurze Zeit später sah es wieder nach Regen aus und vor mir war ein schön einladender Gasthof und schliesslich hatte ich schon 137 km in den Beinen. Also genug Gründe um für heute bereits um 17 Uhr Feierabend zu machen. Schönes Zimmer mit Blick auf den Rhein. Nach dem Duschen habe ich einmal mein Pferdchen geputzt und hab ihm die Kette geölt. Dann habe ich es im Innenhof angebunden und habe mich verabschiedet bis morgen. Morgen soll es nach Düsseldorf, Krefeld und Duisburg bis nach Wesel oder so gehen. Ich bin ja flexibel und passe mich dem Wetter an.
Zum Abendessen musste heute einmal ein Teller Pasta her. Tagliatelle mit Pouletbruststreifen und Gemüse habe ich mir bestellt. Es war der Hammer, super gut. Es hatte fast mehr Pouletstreifen als Tagliatelle, bei uns wär das umgekehrt, drei Häppchen Poulet und…….. So habe ich nun auch wieder meinen Kohlenhydratspeicher aufgefüllt und bin wieder gestärkt für morgen.
Erkenntnis des Tages: Nicht nur Pferde lieben Zucker………
7. Juni 2011 Stürzelberg - Gahlen 125 km
Heute gings um 6.30 Uhr aus den Federn, ich habe wunderbar geschlafen und hätte noch länger liegen können. Aber ich habe keinen Urlaub zum herumliegen genommen sondern bin immer noch voller Tatendrang. Das Frühstück genoss ich in vollen Zügen und füllte meine Speicher wieder voll auf. Das Wetter heute war bedeckt und eher kühl. Um halb neun machte ich mich auf den Weg. Schon nach einem Kilometer musste ich anhalten, denn da war eine Bäckerei, brauchte ja noch Proviant für unterwegs. Habe mir dann auch gleich die Beinlinge angezogen, denn es war doch kühler als ich dachte.
Erstes Ziel war Düsseldorf. Ich kam gut voran, doch in der Stadt war es nicht mehr ganz so einfach. Zwar alles super Radwege, aber ich irrte trotzdem umher. Die Rheinpromenade hatte ich gefunden und nun wollte ich noch die Königsallee sehen. Endlich war ich da, doch irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt. Es war eine Parkanlage mit vier Teichen und einigen Statuen. Fertig. Also das Suchen hat sich definitiv nicht gelohnt. Nichts wie raus aus der Stadt über den Rhein auf die linke Seite. Nun lag das Ruhrgebiet vor mir. Als erste Stadt durchradelte ich Krefeld, schon von weitem sah man die Industrie am Rhein (Hüttenwerke von Mannesmann-Thyssen, Krupp oder die Bayer Werke in Uerdingen). Wahnsinn, Stadt und Industrie ineinander verwachsen. Für diese Region ist die Kohle der wichtigste Rohstoff, okay bei uns ist es ja auch nicht anders, nur haben wir „saubere“ Kohle. Nun gings weiter nach Duisburg, durch ein schönes Wäldchen mit einem schönen See, den Töppersee. Hat nichts mit Tuperware zu tun liebe Frauen. Am See machte ich mein Picknick und genoss die ersten Sonnenstrahlen heute.
Auf Umwegen fuhr ich in Duisburg ein. Bin ich da in Deutschland? Ich war in einem Viertel, da waren alles andere als Deutsche und Europäer, der Müll lag auf dem Boden und es war einfach nur schrecklich. Ich habe auch schöne Sachen gesehen in Duisburg, doch der erste Eindruck ist mir geblieben, und das zeigt die Stadt von einer schlechten Seite. Ich war froh als ich wieder aus der Stadt war und habe mich gleich wieder verfahren. Nicht zum ersten Mal heute. Heute war irgendwie nicht mein Tag. Dann gings die letzten Kilometer dem Rhein nach bis nach Wesel. Dort überquerte ich den Rhein zum letzten Mal und musste mich von ihm verabschieden. Eine Woche lang war er mein treuer Weggefährte, hat mir viel gezeigt und hat mir aber auch viel abverlangt. Gut wegen dem Wind kann er eigentlich nichts dafür. Es war toll und der schönste Abschnitt war von Mainz bis nach Köln.
Heute wollte ich bis um 18 Uhr fahren und dann das erste Hotel nehmen. Genau um 17.56 Uhr fuhr ich an einem Camping vorbei und bin sogleich eingebogen. Das Wetter mittlerweilen super schön und ich war bereit für ein neues Abenteuer. Das Zelt war im nu aufgestellt, schliesslich hatte ich zu Hause geübt. Nach dem Duschen und Waschen kochte ich mir auf meinem Gaskocher Penne mit einer Tomatensauce und gönnte mir ein Krombacher Pis dazu. Camping live, einfach cool. So endet mein Tag doch noch positiv. Mein Nachbar ein Holländer ist mit dem Rad von irgendwo in Holland nach Prag unterwegs. Morgen geht es weiter bis nach Münster, dort werde ich von Bernd erwartet, und morgen gibt es ein Jubiläum. Mehr dazu in meinem morgigen Bericht.
Erkenntnis des Tages: Auch ein schlechter Tag kann gut enden.
8. Juni 2011 Gahlen - Münster 75 km
Liebe Camping Freunde, es war gestern ein wunderschöner Abend und ich ging mit ganz vielen Glücksgefühlen in meinem Zelt schlafen. Mitten in der Nacht auf heute brach dann aber ein heftiges Gewitter über dem Camping ein. Super jetzt geht der Amstad endlich zelten und es fängt an zu regnen. Um 7 Uhr war Tagwache und es regnete immer noch. Nicht wirklich das Zeltabenteuer das ich gesucht hatte. Trotz Regen hiess es nun zusammen packen, auch das nasse Zelt und so. Mein holländischer Kollege meinte, dass das Wetter gegen Mittag besser wird. Mal schauen.
Nachdem ich meine bestellten Brötchen beim Campingladen abgeholt hatte, gings heute mit Regenbekleidung weiter. Aufgrund des schlechten Wetters wählte ich heute die etwas kürzere Route und verzichtete auf touristische Attraktionen. Ich fand den Tritt schnell und kam gut voran. Bei Kilometer 32 in Haltern am See hatte ich etwas zum Feiern. Wisst ihr was? Die ersten 1000 km sind geschafft, somit habe ich schon rund 1/5 meiner Strecke hinter mir. Zum Jubiläum gönnte ich mir einen Mandelkamm. So nahm ich die zweiten Tausend Kilometer in Angriff. Gegen Mittag hat es doch tatsächlich aufgehört zu regnen, mein holländischer Wetterfrosch hatte also recht.
Schon um 14 Uhr fuhr ich an meinem Etappenziel in Münster ein. Nun wie gesagt, bin ich für die nächsten beiden Nächte bei Bernd in Münster einquartiert. Bernd ist ein guter Freund von den Eltern meiner Kollegin Sonja. Er kennt die Familie Krummenacher seit über 30 Jahren und fährt jährlich 2-3 Mal nach Sarnen. Auf Empfehlung habe ich bei Bernd vor zwei Tagen angerufen und gefragt, ob ich bei ihm übernachten könne. Obwohl wir uns noch nie gesehen haben, sagte er spontan ja. Er hat mir sogar angeboten eine Nacht länger zu bleiben, damit er mir sein Münster zeigen kann. Habe das Angebot gerne angenommen. So habe ich gegen 14.30 Uhr bei ihm geklingelt und bin herzlich empfangen worden. Zum Apéro servierte mir Bernd mit Stolz Rivella, das es auch in Deutschland gibt.
Wir plauderten über Gott und die Welt und über dies und das. Nach dem Einräumen und Duschen hat mich Bernd in sein Stammlokal zum Essen eingeladen. Es war ein schöner und gemütlicher Abend, den wir im Gartenhäuschen mit einem Pils abrundeten. Morgen geht’s in die City, ich freue mich.
Erkenntnis des Tages: Im Münsterland sieht man bereits am Freitag, wer am Sonntag zu Besuch kommt! (weil hier alles so flach ist)
9. Juni 2011 Ruhetag in Münster
Heute bin ich richtig gut ausgeschlafen um 8 Uhr aufgestanden. Die Sonne strahlte bereits zum Fenster hinein und Bernd wartete mit einem super Frühstück auf mich. Gemütlich assen wir zusammen und plauderten über dies und das. Dann ging es wie besprochen in die Altstadt von Münster. Am Hauptbahnhof angekommen, gingen wir zuerst in ein Fotofachgeschäft. Nein, ich brauchte kein neues Passfoto um den deutschen Pass zu beantragen, sondern einen neuen Fotoapparat. Meine Kamera ist mir gestern aus den Händen gefallen und ist so hart auf dem Boden aufgeprallt, dass nichts mehr ging. Super Schmiedy! Mit meiner neuen Kamera ausgestattet ging der Stadtrundgang los. Als erstes fotografierte ich die hunderten von Velos am Bahnhof in Münster. Ich habe noch nie so viele Fahrräder auf einem Haufen gesehen. Münster sein einen Fahrradstadt und im Schnitt hat jeder Münsteraner zwei Velos zu Hause!
Bernd zeigte mir mit Stolz die Altstadt, das Schloss, den Dom, den Aasee, das Rathaus und vieles mehr. Das Rathaus von Münster hatte für die Schweiz im Jahre 1648 eine bedeutende Rolle gespielt. In diesem Jahr wurde der Westfälische Frieden geschlossen, der den 30-jährigen Krieg beendete und die Schweiz wurde offiziell als souveräner Staat anerkannt. Dies geschah alles im Rathaus von Münster! Das zum Thema Geschichte. Unser Mittagessen, einem super feinen Spargelsalat mit Bein- und Rohschinken, genossen wir in einem Biergarten in der Altstadt. Der Bernd hat mich während diesen beiden Tagen in Münster zu allem eingeladen, ich sei sein Gast und ich könne mein Geld zu Hause lassen. Ich wollte das gar nicht, konnte mich aber nicht durchsetzen. Er freute sich über meinen Besuch sehr. Er stellte mich auch seinen Freunden vor und natürlich war meine Reise auch immer ein Gesprächsthema. Liebe Sonja und Beat, als nächstes erwartet euch Bernd in Münster!!! No way out!!!
Wieder zu Hause angekommen haben wir zusammen mein Zelt, das ich nach dem Campingabenteuer bei Bernd auf dem Sitzplatz trocknen liess, zusammengelegt und wieder eingepackt. Bernd ist seit dem Jahr 2000 verwitwet und lebt alleine in einem schönen Haus etwas ausserhalb der Stadt. Ich durfte den oberen Stock ganz alleine für mich bewohnen, mit eigenem Bad und so. War wirklich toll. Am Abend zogen wir wieder los zum Nachtessen. Das Essen nahmen wir wieder in der Stammkneipe von Bernd ein. Die Düsberg Klause, ein kleines schmuckes Gasthaus mit einem schönen Biergarten, und in diesem Haus hat vor Jahren Michael Gorbatschov mit seiner Frau und dem deutschen Regierungschef Möllemann gegessen.
Nach einem kurzen Spaziergang gings dann zum Schlummerbecher in die Gartenlaube. Mein Bierkonsum ist ein den letzten beiden Tagen sehr stark angestiegen. Bier soll ja auch gut sein für Ausdauersportler, das habe ich schon mal gelesen oder gehört, wirklich. Morgen geht dann aber meine Reise wieder weiter. Ich freue mich wieder mein Pferdchen zu satteln und Richtung Osnabrück aufzubrechen. Let’s go!
Erkenntnis des Tages: Sonja und Beat müssen unbedingt Bernd besuchen, er freut sich riesig darauf.
10. Juni 2011 Münster - Lembruch 128 km
Heute bin ich um 7 Uhr aufgestanden, habe meine Sachen zusammen gepackt und habe nochmals mit Bernd gefrühstückt. Er hat wiederum ein reichhaltiges Morgenessen serviert, einfach super. Um 9 Uhr hiess es dann Abschied nehmen, ich habe in den letzten beiden Tagen einen guten Freund gewonnen und kennen gelernt. Bernd ist ein netter Kerl, er hat mir für meine Tour etwas Schweizer Heimat mit auf den Weg gegeben. Eine Flasche Rivella, 2 Tafeln Schweizer Schoggi und zwei Pack Ricola.
So habe ich meine Tour wieder aufgenommen. Ich musste zuerst quer durch die Stadt Münster radeln, das war jedoch kein Problem, erstens kenne ich nun die Stadt und zweitens habe ich noch nie so eine Fahrradfreundliche Stadt gesehen! Auf schönen Radwegen an Feldern und Wiesen vorbei bin ich Richtung Sauerland gefahren. Warum heisst das Sauerland? Die sehen gar nicht so sauer aus. Es war heute stark bewölkt und die Temperaturen waren sehr angenehm. In Lienen an einem schönen See im Park habe ich mein Picknick gemacht. Idyllisch, ruhig und einfach schön. Gleich nach dem Mittag hatte ich den ersten Hügel (200 Höhenmeter) zu passieren. Das Sauerland hat Ähnlichkeiten mit dem Emmental, es geht immer rauf und runter. Nach der Hügeltour bin ich dann in der Stadt Osnabrück angekommen. Eine sehr schöne Stadt mit einem Schloss und einer hübschen Altstadt, wirklich sehenswert.
Weiter gings zur Stadt hinaus Richtung Belm. Irgendein Idiot hat in einer Waldlichtung den Wegweiser verdreht und ich bin prompt vom Weg abgekommen. So fuhr ich auf der Hauptstrasse weiter. Ich wusste dass ich noch eine Hügelpasshöhe vor mir hatte und irgendwie kam ich nach Osnabrück gar nicht mehr in den Tramp. Ich hatte das Gefühl ich klebe auf dem Asphalt, ich war frustriert. Als erstes habe ich die beiden Pneus kontrolliert, aber es war alles okay. Also biss ich auf die Zähne und pedalte weiter. Ein kurzer Aufstieg vor mir und dann ging es lange immer nur runter in einem flotten Tempo. Jetzt wusste ich warum ich vorhin so langsam unterwegs war! Es ging während rund 10 km immer leicht Bergauf und ich merkte es nicht, super Schmiedy!! So fand ich den Tritt wieder sehr gut und gestärkt mit der Schweizer Schoggi gings dem Etappenziel Lembruch entgegen. Lembruch liegt wunderschön gelegen am Dümmer See etwa 80 km vor Bremen.
Ich wage es heute nochmals und habe auf dem Campingplatz mein Zelt aufgeschlagen. Habe wieder einen super Platz erhalten. Nachdem Zeltaufstellen habe ich mein Pferdchen gestriegelt und gepflegt, die Wäsche gewaschen und geduscht. Zum Znacht gabs Penne an Würstchensauce auf meinem kleinen Gaskocher zubereitet. Es hat sogar gut geschmeckt, war selber erstaunt. Morgen solls dann weiter Richtung Bremen und Hamburg gehen. Bye Bye bis morgen……
Erkenntnis des Tages: Es gibt Leute die können Bergauf radeln und merken es nicht!!!!!!!!
11. Juni 2011 Lembruch - Wilstedt 120 km
In der Nacht hat es geregnet, immer wenn ich beim Camping bin. Wenigstens regnete es um 7 Uhr nicht mehr. So konnte ich meine sieben Sachen zusammen packen und mein Pferdchen, das unter Nachbars Wohnwagenvordach im Trockenen übernachten konnte, wieder voll beladen. Dann wollte ich an der Reception noch bezahlen, doch der gute Herr war so beeindruckt von mir und meinem Vorhaben, dass er mich zum campieren eingeladen hat. Super Danke vielmals! So gings heute gegen 9 Uhr los nach Bremen zu den vier Stadtmusikanten. Es war sehr kühl aber wenigstens trocken.
Ich kam zwar heute gut voran, doch irgendwie war ich nicht so motiviert und hatte sogar etwas Heimweh nach meiner Familie. Zuerst pedalte ich auf der Hauptstrasse 51 und anschliessend auf dem Brückenradweg. Übrigens die Deutschen leben von Erdbeeren und Spargeln! Warum? Fast in jeder Ortschaft oder sogar auf dem Feld hat es kleine Häuschen, wo Frauen frische Erdbeeren und Spargeln verkaufen und das vom Süden bis zum Norden. Ich darf leider keine Erdbeeren mehr kaufen, das letzte Mal hatte ich eine Überdosis. Ich hatte extrem viel Pickel auf der Stirn und am Allerwertesten. Das ist gar nicht praktisch auf dem Sattel, das kann sich wohl jeder vorstellen. Gesundheitlich und körperlich geht es mir gut. Anfänglich hatte ich starke Knieschmerzen, doch seit ich eine Bandage trage geht es wieder gut. Natürlich kam da auch der Tigerbalsam zum Einsatz, Danke Sandra. Meinen Beinen geht es sehr gut, die werden natürlich auch immer regelmässig eingecremt und einmassiert. Mein Allerwertester hält sich auch sehr gut, er ist noch kein Ledersessel, aber auch da gilt, dreimal täglich einsalben.
Der Tag war wirklich nicht so spannend doch das änderte sich mit der Einfahrt in Bremen. Zuerst kurvte ich durchs Schnoor Quartier und dann fuhr ich auf den Marktplatz wo das Rathaus und der Dom stehen. Ein gigantisch schöner Anblick, was für eine Stadt wunderschön. Viele alte Häuser, viele Strassencafés, natürlich hat es auch genügend Läden, Bremen ich komme wieder! Aber wo haben sich die vier Stadtmusikanten versteckt. Auf der Seite beim Rathaus habe ich sie gefunden, die Statue ist nämlich gar nicht so gross. So haben wir eins zusammen gesungen und sind dann Stadt auswärts zum nächsten grossen Ziel, Hamburg. Nach genau 120 km in Wilstedt war Feierabend. Für heute reicht es. Ich habe auf dem Camping ein schönes Plätzchen direkt an einem kleinen Weiher erhalten. So nun hoffe ich, dass es für einmal nicht regnet. Mittlerweilen ist es wärmer geworden und die Sonne scheint. Zum Znacht habe ich mir eine Bouillon gekocht und Hörndli. Heute hatte ich Angst, ich hätte zu wenig zu Essen. Darum war ich gleich mehrmals in einer Bäckerei und habe mich mit Gebäck und einem Baguette eingedeckt. Das sollte reichen. So geht mein 13. Tourentag idyllisch zu Ende.
Erkenntnis des Tages: Bremen ist eine Reise Wert!
12. Juni 2011 Wilstedt - Hamburg 109 km
Kaum hat der Wecker geklingelt, da fängt es doch tatsächlich an zu regnen. Das darf doch nicht wahr sein! Sch…… Camping dachte ich mir. Der Regen war aber nur von kurzer Dauer und dann kam die Sonne wieder zum Vorschein, trotzdem war wieder alles nass! Ich habe ja bereits Übung, kein Problem. Alles aufgeladen und ab die Post nach Hamburg. Der Radwegweiser in Wilstedt zeigte für Hamburg eine Wegstrecke von 115 km an. Bei der Dorfbäckerei noch einen kurzen Halt und dann gings wirklich los. Die ersten 10 km waren sehr mühsam, bis ich dann endlich den Tritt gefunden hatte. Der Radweg führte auch heute wieder über Wiesen- und Waldwege und durch kleine Ortschaften, herrlich.
Noch etwas zu Deutschland, es ist auffallend wie viele Häuser aus Backsteinen gebaut sind. Dies ist sicher die Folge des Wiederaufbaus nach dem Krieg, aber auch neue Häuser werden so gebaut, erstaunlich. Was auch immer wieder ins Auge sticht sind die grossen Windräder die Strom erzeugen, unzählige solcher Dinger sind da verteilt auf den Wiesen, gigantische Riesen. Eigentlich dachte ich, dass wir Schweizer ein Land von Schützen sind. Falsch! Hier in Deutschland wenn du in ein Dorf einfährst, stehen überall Plakate vom Schützenfest im Dorf. Es ist wirklich auffallend, wahrscheinlich hat jedes Dorf ein Schützenfest, als das Fest des Jahres oder so. Ich gab heute ziemlich Gas, weil ich zeitig in Hamburg sein wollte um mir die Stadt anzuschauen.
Ich kam auch gut voran, dann kam eine längere Waldpartie gemäss Karte. Und es ging Bergauf (diesmal habe ich es bemerkt) und Bergauf einige Kilometer lang. Hamburg hat Berge, wer hätte das Gedacht, die Schwarzen Berge. Es ging da durch kleinere Ortschafen auf und ab, es war mühsam, denn ich habe nicht mehr damit gerechnet. Und zum Schluss habe ich mich wieder einmal im Wald verfahren. Mann musste das sein? Hatte aber bald wieder den Überblick und freute mich bereits an der Süderelbe zu sein. Dann gings ab über die Elbbrücke und ich war in Hamburg. Fehlanzeige! Es war eine Irrfahrt durch Hamburger Vororte und es dauerte 12 km bis ich im Zentrum war. Ich war ziemlich frustriert, doch ich kam meinem Ziel immer näher. Ich hatte gestern ein Zimmer in der Nähe des Bahnhofes gebucht. Wenigstens habe ich das Hotel auf Anhieb gefunden. Mein Fahrrad durfte ich durch den Frühstücksraum in den Gepäckabstellraum stellen, ob es ihm da wohl gefällt?
Nach dem Duschen war heute grosser Wäschetag. Nebst dem getragenen habe ich die Jacken und so auch einmal gewaschen, kann ja nicht schaden. Dann gings in die City, ich kenne Hamburg bereits, weil ich mit Irène vor zwei Jahren schon hier war. Zuerst spazierte ich zur Binnenalster und zum Jungfernstieg wo ich dann an einem Seitenkanal neben dem imposanten Rathaus zum Essen ging. Zur Feier des Tages (Sonntag, 1400 km absolviert – gefahrene Routen neu unter Rubrik „Projekt Nordkap2011“ aufgeführt - und ein grosses Etappenziel erreicht) bestellte ich einen grünen Salat und zum Hauptgang eine Wokpfanne mit Poulet, Gemüse, Reis und ein Weissbier dazu. Kööööööstlich! Zum Dessert gabs dann noch ein Mövenpick Eis! Ich machte anschliessend noch einen 90 minütigen Spaziergang zu den Landungsbrücken und in die Speicherstadt und zurück ins Hotel. Laufen ist eine gute Alternative zum Radfahren! Hamburg ist wirklich eine tolle Stadt (wenn du dann mal drin bist) Morgen geht’s dann weiter durch Schleswig Holstein, Dänemark ist schon sehr nahe. Ich freue mich, ich war noch nie dort! Yupie!!!
Erkenntnis des Tages: Wenn du da bist, bist du noch lange nicht angekommen.
13. Juni 2011 Hamburg - Nortorf 134 km
Es ist einfach komfortabler in einem Hotel zu übernachten, da interessiert es einem gar nicht, ob es während der Nacht geregnet hat oder so. Ich habe super geschlafen und bin fit für den heutigen Tag. Schönstes Wetter über Hamburg, sonnig warm, richtig angenehm. Das Frühstück im Hotel war sehr lecker. Ich habe mir angewöhnt jeweils am Morgen richtig reinzuhauen, denn ich brauche die Energie für meine Tour. Also wenn ich genug habe, dann esse ich noch ein Brötchen und trinke einen Kaffee oder eine Tasse Tee. So ist das Radfahrerleben, verfressen! I am a Fressmachine.
Um 9.30 Uhr war Abfahrt und es ging los Richtung Landungsbrücken der Elbe entlang. Durch St. Pauli am Fischmarkt vorbei, in Oevelgönne an den romantischen Häusern vorbei und durch das Nobelviertel Blankenese raus aus Hamburg. Es war eine fantastische Fahrt der Elbe entlang. Hamburg ist und bleibt eine sensationelle Stadt mit seinen Sehenswürdigkeiten und den vielfältigen Bewohnern die es zu bieten hat. Quizfrage: Wie werden in Hamburg die Penner vom Bahnhof vertrieben? Mit klassischer Musik! Über die Lautsprecher wird klassische Musik abgespielt im und um den Bahnhof, und es nützt tatsächlich. Unglaublich einfach aber wirkungsvoll. Das Radfahren in der Stadt ist sehr anstrengend, man muss ständig auf den Verkehr achten, muss die Ampeln im Griff haben und muss ständig auf dem Boden nach Scherben Ausschau halten. Und das alles gleichzeitig, Frauen haben es da einfacher!
In Wedel nach 25 km wechselte ich nun auf den Ochsenweg. Auf diesem Weg wurden früher unter anderem Ochsenherden von Dänemark nach Wedel / Hamburg getrieben um dann verkauft zu werden. Jetzt fühlte ich mich tatsächlich als richtigen Cowboy! Aber schon bald war ich nicht mehr der Cowboy sondern der Ochse, der Hornochse. Ich habe mich verfahren und bin in die falsche Richtung gefahren! Gut wenn man es merkt, blöde wenn das erst nach 3 km ist. Umdrehen und zurück. Ich fand anschiessend den Radweg nicht mehr und bin dann eine kurze Zeit auf den normalen Strassen gefahren. Nach 10 km bin ich dann wieder in den Radweg eingebogen und bin wieder zum Cowboy geworden. Der Ochsenweg führt durch Wälder und Wiesen abseits von grossen Städten, einfach nur zum geniessen und abschalten. Ab und zu kommt dann doch eine grössere Stadt zum Beispiel Neumünster. Auf einem schönen Waldweg bin ich Stadteinwärts geritten und wollte mir hier ein Hotel suchen. Das Wetter hatte inzwischen umgeschlagen, stark bewölkt und sehr windig. Camping ist heute gestrichen, definitiv. Da ich heute so gut unterwegs war und super Beine hatte, habe ich mich entschlossen noch 20 km anzuhängen und bin bis nach Nortorf gefahren, wo ich in einer heimeligen Gaststätte abgestiegen bin.
Morgen muss ich zum Velomech, denn mein Pferd, eh mein Fahrrad verliert den Ständer. Schraube anziehen. Das ist wohl die Folge der schweren Last. Es ist schon viel besser geworden, Packung hat sich reduziert, habe nun fast schon Platzreserven. Nach dem Reinigungs- und Wäschedienst ging es zum Nachtessen. Den ganzen Tag Ochsen getrieben, da muss doch ein schönes Stück Fleisch auf den Teller. Nach einer Spargelsuppe mit Crevetten nahm ich eine Spezialität des Hauses. Drei verschiedene Stück Fleisch mit Spiegelei, Gemüse und Bratkartoffeln. Es war suuuuuuuuuper gut und ich habe für einmal sogar genug bekommen und habe auf das Dessert verzichtet. Für alle jene die Angst haben, dass ich noch mehr Gewicht verliere, kann ich beruhigen. Habe bisher nur ein Kilo abgenommen. Morgen geht es weiter zu den Wikingern Richtung Dänemark!
Erkenntnis des Tages: Auch ein Cowboy kann zum Ochsen werden!
14. Juni 2011 Nortorf - Flensburg 109 km
Bereits um 6 Uhr wurde ich geweckt, aber nicht vom Wecker sondern von der Musikkapelle Notorf. Vorneweg die Kapelle und anschliessend etwa 80 Männer mit Frack und Zylinder. Einmal jährlich findet dieser Anlass statt, an dem nur Männer teilnehmen dürfen. Keine weiteren Bemerkungen. Natürlich habe ich mich nochmals im Bett umgedreht und habe bis 7 Uhr weiter geschlafen. Nach dem Frühstück ging ich mit meinem Begleiter zum Velomech. Ich habe die Schraube mit dem Schlüssel angezogen und nun hält der Ständer wieder. Die Fahrt ohne Gepäck mit dem Velo war sehr ungewohnt. Dann ging es noch in die Bäckerei und zur Post. Nette Leute in diesem Städtchen. Vollbeladen war um 9 Uhr Abfahrt, weiter nach Norden.
Das erste Zwischenziel war Rendsburg, doch bis dahin war der Weg sehr anspruchsvoll. Ein schöner Naturweg auf sehr schwer befahrbarem Untergrund. Waldweg, Kies und zum Teil sandige Unterlagen machten mir das Leben schwer. Das Wetter war heute wieder trocken, stark bewölkt und relativ kühl. In Rendsburg angekommen ging es mit der Schwebefähre (ist an der Eisenbahnhochbrücke installiert und transportiert Autos – wie eine Gondel) über den Nord-Ostsee-Kanal. Spannend, habe noch nie sowas gesehen. Und weiter ging die Reise, aber nicht lange. Ich musste auf einem Teilstück umkehren, der Weg wurde plötzlich so sandig, dass ich das Gefühl hatte, ich bin bei mir zu Hause im Sandkasten. Treten an Ort, es war unmöglich hier durchzukommen. Rechts umkehrt und auf der Hauptstrasse B77 weiter. Anschliessend wieder der Wechsel auf den Ochsenweg, der nun wieder befahrbar war. Vorbei an den Burgwällen in Danewerk nach Schleswig. Die Fischersiedlung Holm ist ja traumhaft schön, ganz viele kleine Häuschen und in der Mitte eine kleine Kapelle mit einem Friedhof. Ich kam mir vor wie in einem Märchen, sagenhaft. Nur Schneewittchen fehlte oder Aschenputtel.
Der Wind bläst uns nun auch noch um die Ohren und die Gegend vor Flensburg ist sehr hügelig. Auf den letzten 30 km ging es ständig rauf und runter. Training für die Berge in Norwegen. Das sensationelle Landschaftsbild hat mich für die Strapazen entschädigt. Alles grün, Felder, Wiesen, Wälder nur die Kühe waren braun. In einem Aufstieg habe ich eine vier köpfige Radfahrergruppe überholt. Jeder einzelne hatte mehr Gepäck geladen als ich. Wahrscheinlich haben die die Polstergruppe und die Waschmaschine noch eingepackt. Der heutige Tag ist stark mit der Geschichte verbunden. In Munkwolstrup besichtigte ich noch die Steingräberfelder und später sah ich noch verschiedene Grabhügel. Diese Region ist gezeichnet von der Vergangenheit, oft herrschte Krieg. Einmal gehörte man zu Dänemark und dann wieder zu Deutschland. Wenn man durch Schleswig-Holstein fährt, hat man das Gefühl, man sei in Holland. Überall blau weiss rote Fahnen, die Farben von Schleswig-Holstein, zeigen dass die Leute hier sehr stolz und Heimatverbunden sind. Die haben sogar ein eigenes Lied oder eine Hymne oder so, Andrea kennt es ;-)
In Flensburg habe ich mir wieder ein Hotelzimmer genommen und habe anschliessend am Fischerhafen gegessen. Jetzt trennen mich noch wenige Kilometer bis nach Dänemark, ich freue mich riesig! Kurz noch etwas zu den Deutschen, ich habe während meiner Reise fast nur nette Leute kennengelernt (zwei Ausnahmen), es war super und ich könnte singen: Ich liebe Deutscheland ………….
Erkenntnis des Tages: Die Deutschen sind viel netter und freundlicher als ihr Ruf!
15. Juni 2011 Flensburg - Middelfart 119 km
Heute war wieder um 7 Uhr Tagwache und anschliessend frühstücken im Hotel. Nebst allem anderen habe ich heute vier Brötchen verdrückt! Zusammengepackt und aufgeladen ist mittlerweilen sehr schnell. Die Handgriffe sitzen und ich weiss wo was ist und hinkommt. Bei wunderschönem Wetter gings aus Flensburg raus Richtung Grenze. Ich war heute gut in Form, die Beine waren frisch und ich hatte ein gutes Gefühl. So haben wir schon nach 8 km die Grenze nach Dänemark überschritten, auf Wiedersehen Deutschland, Velkommen i Danmark. Es war für mich wieder so ein unbeschreiblicher Moment auf dieser Tour, nun habe ich ganz Deutschland vom Süden bis zum Norden durchradelt. Ich kann es selber noch nicht fassen. Ein schönes Gefühl bereits so viel erreicht und erlebt zu haben. Freude herrscht.
Ich habe heute Morgen entschieden den Ochsenweg zu verlassen und neu den Weg an der Küste zu nehmen. Also habe ich meine Ochsen verkauft und bin vom Cowboy zum Wikinger geworden und mein Pferdchen ist nun mein Wikingerschiff! Hej Hej Wiki ……… Los geht’s, haut rein in die Ruder eh in die Pedalen und Segel hoch. Meinem Helm fehlen nur noch zwei Hörner, dann wäre ich tatsächlich ein Wikinger. Die Radwege in Dänemark verlaufen bisher an wenig befahrenen Strassen entlang. Die Natur ist wunderschön hier, alles ist Grün (sorry ich wiederhole mich immer) und so unberührt. Die erste Stadt in Dänemark in der ich nun ankam war Aabenraa. Die Ortschaft liegt direkt am Meer und hat eine schöne Altstadt mit hübschen alten Häusern. Weiter gings auf der Halbinsel Jütland nach Kolding. Übrigens wer gemeint hat Dänemark sei so flach wie eine Flunder, der irrt sich gewaltig. Es hat zwar keine Berge wie bei uns, aber es ist sehr hügelig. So hatte ich heute noch einen Bergpreis gewonnen, und zwar habe ich den höchsten Punkt Südjütlands den Skamlingsbanke mit einer Höhe von 113 m.ü.M. bezwungen. Dort steht ein Denkmal für die Vereinigung von Jütlands und die Aussicht war natürlich fantastisch schön.
Dann kam ich nach Kolding die grösste Stadt die ich heute besuchte. Ich bin kurz durch die Altstadt und die Fussgängerzone gefahren und bin dann weiter, denn ich hatte mich kurzer Hand entschieden noch 20 km anzuhängen und den Lillebaelt heute schon zu überqueren. Nach Kolding ging es zuerst bergauf. Okay da dachte ich noch, jetzt geht es dann wieder bergab und über die Brücke. Falsch. Rund 10 km ging es nun immer wieder rauf und runter. Es ist etwa das Feeling, wie wenn man mit dem Rad über das Dach vom Paul Klee Museum in Bern fährt und das 10 km lang. Oder in der Wikingersprache ausgedrückt : der Wellengang war enorm gross. So erreichte ich doch noch die Brücke über den Lillebaelt, die Jütland mit der Insel Fyn verbindet. Gleich nach der Brücke fuhr ich rechts ran zum Camping. Ich bin heute in der Stimmung dazu, das Wetter ist gut (vorerst noch) und schliesslich ist es ja ein Abenteuer und keine normalen Ferien.
Auch beim Zelten sitzen die Handgriffe gut, alles hat seinen Platz im Zelt, immer am gleichen Ort. (systematisch Arbeiten) Nach der Wäsche kochte ich mir Hördli mit Hacktätschli (aus der Dose, habe ich beim Camping gekauft) und genoss dazu ein Tuborg. Heute habe ich mir sogar ein Apero gegönnt, eine Cola mit Chips! Das Essen auf dem Camping ist einfach und zweckmässig. Zum Dessert hatte ich noch etwas süsses von heute Morgen. Ich habe mir ein mega grosses Rosinen-Mandelgebäck gekauft, es war etwa zwei Meter lang! Nicht ganz aber trotzdem zu lang, denn es passte nicht einmal in meine Fress-Box. Morgen geht es weiter nach Odense und Nyborg wo ich den Storebaelt überquere. Leider darf ich nicht über die Brücke fahren, deshalb muss ich dann die Bahn nehmen.
Erkenntnis des Tages: Dänemark ist nicht flach wie eine Flunder!
16. Juni 2011 Middelfart - Slagelse 107 km
Guten Morgen Camping-Freunde! Jaaaaa, ich habe es tatsächlich geschafft, es hat während der Nacht und auch am Morgen nicht geregnet. So konnte zum ersten Mal alles trocken verpacken. Wobei die Wetteraussichten sehr trübe aussahen. Stark bewölkt und es riecht stark nach Regen. Die Frau vom Camping schaute für mich das Wetter im Internet nach und sie meinte, das Wetter werde im Osten besser. Zum Glück fahre ich heute nach Osten! Meine bestellten Brötchen und Süssgebäcke habe ich verstaut und so konnte es eigentlich weiter gehen. Doch gerade jetzt hat es zu regnen begonnen. Regenbekleidung anziehen, Gepäcktaschen hinten einpacken und los geht die Fahrt.
Schon während den ersten Metern hat es gebrannt in meinen Oberschenkeln. Wenn das nur gut kommt heute. Das einfahren und die ersten Kilometer waren harte, sehr harte Arbeit oder anders ausgedrückt, heute musste ich hartes Brot essen, schon fast Knäckebrot , okay ich bin ja bald in Schweden und dann passt das schon. Der Wellengang (die Hügel) waren heute nicht mehr so hoch wie gestern, aber sie begleiteten mich während den ersten 50 km kontinuierlich bis nach Odense. Genau um die Mittagszeit bin ich in der Grossstadt Odense angekommen und habe beim Bahnhof vor einem Gebäude wie üblich mein Picknick eingenommen. Plötzlich stand da ein netter Herr um mein Fahrrad und begann mit mir auf Englisch zu sprechen. Er frage mich von wo ich komme und wohin ich denn wolle. Nach einigen Minuten erlöste er mich vom Englisch und wir wechselten auf Deutsch. Das ging doch schon wesentlich einfacher für mich. Zufälligerweise war er kürzlich in der Schweiz in Luzern und er hat Bekannte in Aarau. Es war ein gutes und interessantes Gespräch. Als er mir erzählte, er arbeite in diesem Gebäude nebenan, fragte ich ihn was er mache. Er sei Journalist bei der Fyens Stiftstidende und im gleichen Atemzug frage er mich, ob er einen Bericht über mich und mein Vorhaben in seiner Zeitung machen dürfe. Wenig später kam sogar ein Fotograf und knipste einige Bilder von mir und meinem Fahrrad. Ich bin dann mal gespannt auf die Reportage.
Nach dem Interview besichtigte ich Odense, die Geburtsstadt vom bekannten Schriftsteller und Märchendichter Hans Christian Andersen. Sein Geburtshaus liegt ein einem malerischen Gässchen mit lauter bunten und schönen Häusern, es ist tatsächlich wie in einem Märchen. Mittlerweile schien die Sonne und die Regenkleider waren schon längst versorgt. So ging es gestärkt und mit vielen schönen Impression aus Odense raus nach Nyborg. Heute habe ich ständig immer wieder die gleiche Schlagzeile am Strassenrand gelesen: Nye Kartofeler, Nye Jordbaer! Laufend wieder ein Stand mit? wer weiss es? Kartoffeln und Erdbeeren, genau. Was jedoch für mich von Bedeutung ist: Bageri (Bäckerei)
So bin ich schon bald in Nyborg angekommen, meiner nächsten Station. Nach einer kurzen Rundfahrt in der Stadt gings zum Bahnhof. Denn jetzt mussten wir mit dem Zug weiter über den Storebaelt der die Inseln Fyn und Sjaelland trennt. Unglaublich diese Brücke, die aus zwei Teilen besteht, hat eine Länge von 13.4 km und führt über das Meer führt. Gigantisch. Am anderen Ufer angekommen ging es dann per Rad wieder weiter zum Etappenziel Slagelse. Das Wetter wurde immer schlechter, die Beine immer schwerer, und der Regen war im Anmarsch. Ich habe just ein Hotelzimmer gefunden, hat es auch schon begonnen zu regnen. Wow was für ein Glück! Danke Wettergott! Zum Nachtesen gabs heute wieder einmal reichlich Kohlenhydrate, Spaghetti Bolognaise! Heute war wirklich ein sehr strenger Tag und morgen geht es dann nach Kopenhagen in die Hauptstadt. Ich freue mich extrem auf die Stadt mit der kleinen Meerjungfrau, die ich extra in meine Routenplanung eingebaut habe. In Kopenhagen werde ich dann auch einen Ruhetag einlegen, den brauche ich nun wirklich!
Erkenntnis des Tages: Man kann auch Campieren ohne nass zu werden.
17. Juni 2011 Slagelse - Kopenhagen 92 km
Neuer Tag neues Glück. Um 7 Uhr gings aus den Federn, denn ich hätte gar nicht mehr weiter schlafen können. Vor dem Hotel wurde bereits der Rasen gemäht, und das um 7 Uhr! Also ging es zum Frühstück, super Buffet, habe wieder voll zugeschlagen. Gestern war ich auf dem Zahnfleisch gelaufen und musste erfahren, dass das Wikingerleben nicht nur lustig sondern auch hart, sehr hart sein kann. Flasche war leer. Voller Zuversicht und mit neuer Motivation ging es auf die heutige Tour nach Kopenhagen. Zwischen den Wolken strahlte die Sonne durch, ein schöner Radlertag. Eigentlich waren die Prognosen sehr schlecht, Regen während dem ganzen Tag. Auch die dänischen Wetterfrösche haben nicht immer Recht, das ist wie bei uns mit den Muetithalern.
Heute lief es wie geschmiert, kein Vergleich mehr zu gestern. Wir hatten richtig guten Wind in den Segeln und mega Power in den Beinen, danish Dynamite. Aufgrund der schlechten Wettervorhersage habe ich mich entschieden, den direkten Weg nach Kopenhagen zu nehmen. Nach rund 60 km kam ich in Roskilde an und wurde mit dicken Regentropfen begrüsst. Ich flüchtete in eine gedeckte Hauszufahrt und war im Trockenen. Nachdem ich die Kleider auf Regen umgestellt hatte, habe ich gleich noch meine beiden Sandwiches verdrückt und das restliche Süssgebäck von gestern weg geputzt. Wenig später schaute die Sonne wieder zwischen den Wolken durch und ich ging weiter in die Stadt. Roskilde war früher Hauptstadt des Königreiches und ist heute noch die Begräbnisstätte der Könige. Dann nahm ich das letzte Teilstück nach Kopenhagen in Angriff und es begann wieder zu regnen. Es machte mir nichts aus, denn ich hatte ja bereits am Morgen mit Regen gerechnet. Kurz vor Kopenhagen stoppte der Regen und die Sonne begrüsste mich in der Hauptstadt Dänemarks. Wieder ist ein grosses Teilziel erreicht, ich freute mich riesig darüber endlich da zu sein. Das Hotel wurde direkt angesteuert, das Schiff ausgeladen und versorgt im Hinterhof. Das Hotel heisst zwar Euroglobe und ich habe es über die Tourist-Internetseite gebucht, aber es sah nicht aus wie ein Hotel. Zimmer Nummer 307 im 3. Stock ohne Lift, nicht so schlimm mittlerweilen habe ich mein Gepäck so im Griff, dass zweimal laufen genügt. Als ich das Zimmer sah, war ich frustriert, eine Abstellkammer in Kopenhagen. Ich hatte mir das ganz anders vorgestellt. Jetzt ist es nun mal so, habe mich gemütlich eingerichtet, bin einkaufen gegangen und habe anschliessend gewaschen. Heute ist Grosswaschtag, da ja morgen Ruhetag ist.
Dann verduftete ich in die City und machte einen Rundgang durch die Stadt. Wow, super Stadt und vor allem da ist was los. Ich glaube heute waren alle Dänen und auch die Däninnen unterwegs. Auf meinem Spaziergang sah ich schon viele Sehenswürdigkeiten, am besten gefallen hat mir der Nyhavn mit den malerischen Häusern und den Schiffen im Vordergrund. Fantastisch. Achtung Mädels: Stroget, eine von Europas längsten Shopping-Strassen! Alles was das Frauenherz begehrt. Und dann habe ich sie getroffen, wegen ihr bin ich 1900 km mit dem Rad nach Dänemark gefahren, die kleine Meerjungfrau. Ich habe sie geküsst, doch es ist nichts passiert. Logisch, das ist ja auch ein anders Märchen. Das Wetter wurde immer besser. Für mich ungewohnt, dass die Sonne so lange scheint, bis spät in den Abend hinein. Meinen ersten Abend in Kopenhagen rundete ich mit einem leckeren Nachtessen beim Asiaten gleich um die Ecke ab. Die Kellnerin war aus Vietnam und sie ist fast umgefallen, als sie von meinem Projekt hörte. Es war heute ein super guter Tag! Übrigens der Bericht ist heute in der dänischen Zeitung erschienen. www.fyens.dk unter Suchen Christoph Amstad eingeben und schon kommt der Bericht, auf Dänisch. Viel Spass beim Lesen.
Erkenntnis des Tages: Meerjungfrauen küsst man NICHT.
18. Juni 2011 Ruhetag in Kopenhagen
Der dritte Tag meiner Reise, an dem ich Distanzmässig meinem Ziel nicht näher kam, und der erste Ruhetag den ich alleine verbrachte. Nachdem ich gestern etwas länger in der City war, habe ich heute ausgeschlafen. Das Frühstück im Hotel war ja der Hammer! Das Frühstückszimmer ist mit fünf Tischen ausgestattet und auf jedem Tisch waren die Teller mit dem Zmorgä bereit gestellt. Auf dem Teller waren: ACHTUNG kein Witz, ein Brötchen, zwei Scheiben Käse, zwei Scheiben Wurst, eine Konfi und ein Butter und FERTIG. Wenigstens konnte man frei Kaffee und Tee am Buffet, das eigentlich gar nicht existierte, holen. Wie sollte ich damit meinen Radfahrerhunger stillen? Also sorry, ich bin ja sonst nicht so, aber ich habe dann vom Nachbartisch einen zusätzlichen Teller geklaut und verschlungen, nicht den Teller aber das was darauf war. Ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen.
Nun ging ich in die Werft zu meinem Wikingerschiff, meinem Fahrrad. Ich habe alles kontrolliert, gereinigt und dann kam der grosse Eingriff, ich musste die Kette wechseln. Vorsorglich habe ich mich gestern in der Gegend umgeschaut, ein Fahrradhändler wäre also gleich um die Ecke gewesen, falls ich es nicht geschafft hätte. Aber sogar ich als technische Wildsau bekannt, habe es geschafft. Danke Leo und Team für die Instruktionen in Sarnen! War schon fast etwas stolz auf mich. So konnte ich mich getrost in die Stadt verabschieden. Das Wetter war heute schlecht, die meiste Zeit regnete es. Was macht man an so einem Tag, genau Frauen würden jetzt Shoppen gehen. Das kann ich leider nicht, ich will ja nicht unnötig Material mitnehmen. Also bin ich auf eine Bus Sightseeing Tour gegangen, 90 Minuten die ich mir hätte sparen können. Das meiste hatte ich bereits gestern auf meinem Rundgang gesehen und die Infos waren sehr spärlich. Die Dänen sind sonst nicht so geizig. Ich habe die Leute hier als eher zurückhaltend erfahren. Wenn man dann aber einmal mit ihnen im Gespräch war, waren sie sehr offen und hilfsbereit. Auffallend viele Cafés hat es in der Stadt und an jeder Ecke einen Stand, an dem man eine Glace kaufen konnte. Übrigens die haben hier eine Mehrwertsteuer von 25%, da sind wir ja direkt gut bedient in der Schweiz. Was mir als Mann aufgefallen ist: die Frauen in Kopenhagen tragen Strümpfe in allen Farben und Formen, interessant kann ich da nur sagen! Ein Beispiel: eine hatte weisse Strümpfe mit vielen kleinen roten Härzli darauf, da musst du einfach hinschauen. Also Dänemark hat mehr zu bieten als nur Nye Jordbaer und Nye Kartofeler.
Zum Mittagessen habe ich ein riesen Sandwich in einem schönen Café verdrückt und zum Dessert gabs ein Himbeertörtchen, mhhhhh. Dann ging es bereits wieder an die Planung der Route für die nächsten Tage. Dazu war ich im Bahnhof in einem Internetcorner und habe mich schlau gemacht. Morgen geht es nach Helsingoer und dann mit der Fähre nach Helsingborg in Schweden. Hej Sverige, wir kommen! Jetzt weiss ich gar nicht, ob wir in Schweden Wikinger bleiben dürfen, oder ob wir zu Pippi Langstrumpf und dem kleinen Onkel mutieren müssen? We will see. Am Abend hatte ich Lust auf Pizza. Ich war in einem Restaurant da gab es Salatbuffet und Pizzabuffet à la Discretion. Molto Bene. Auf dem Heimweg habe ich mir noch zwei Dosen Bier gekauft, denn in Schweden soll dies ja sehr teuer sein.
Erkenntnis des Tages: Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause.
19. Juni 2011 Kopenhagen - Östra Karup 107 km
Die Ruhezeit ist vorbei, auf zu neuen Taten! Ich bin heute um 7 Uhr aufgestanden und habe meine Sachen zusammen gepackt, habe auf dem Zimmer ein Joghurt und Haferkekse gegessen. Ich konnte sogar nochmals meinen Frühstücksteller im Hotel geniessen, was ich dann auch tat. Diesmal aber nur eine Ration. So starteten wir um 8 Uhr nach Helsingoer. Die Sonne schien zwischen den Wolken hindurch und es war sehr angenehm. Den Weg aus Kopenhagen heraus fanden wir problemlos, immer schön dem Meer entlang Richtung Norden. Dann führte der Radweg durch einen langen Waldweg und was passierte? Es begann zu schütten, super, Regenklamotten anziehen, Gepäck einpacken und warten bis es nur noch regnet. Nach einem kurzen Moment fuhr ich dann weiter im Regen, doch schon kurz vor Helsingoer schien die Sonne wieder. Und genau zu diesem Zeitpunkt habe ich die 2000 Kilometer Marke erreicht. Jupie, jetzt habe ich schon 2/5 der gesamten Strecke hinter mir. Zum Schluss meines Dänemark-Trips habe ich das Schloss Kronborg besichtigt. Shakespeare machte diese Festung zum Schauplatz seines Hamlet-Dramas.
Dann ging es zur Fähre und auf nach Schweden. Die Fahrt von Helsingoer (Dänemark) nach Helsingborg dauerte 20 Minuten. Farvel Danmark, Välkommen till Sverige. Mit Sonnenschein wurde ich in Schweden empfangen, schön. Schweden das Land der Elche, die Heimat von IKEA und das Königreich mit den hübschesten Prinzessinnen und dem sex(y) König. Übrigens ich habe auf der Fähre im IKEA Shop gleich eine 1000er Packung Teelichter gekauft, waren Aktion und die kann man ja immer gebrauchen, oder? Helsingborg hat gemäss meinem Radführer nicht viel zu bieten und so sind wir schnell zur Stadt hinaus gefahren. Mit dem schwedischen Radführer und den Landkarten habe ich mich sehr schnell zu Recht gefunden und so fuhren wir schon bald auf dem richtigen Radweg nach Ängelhom. Was für ein schöner Name für eine Stadt, was wird mich da wohl erwarten? Ein gewaltiger Wolkenbruch! Unter einem Baum, mit Meersicht habe ich wieder meine Regenvollmontur angezogen und habe mein Mittags Picknick gemacht. Als der Regen nachliess, fuhr ich dann weiter. Aber er wurde immer stärker und es war auch keine Besserung in Sicht. Sch…. Wetter, wann kann ich endlich meine Badehose aus dem Gepäck nehmen? Da muss ich nun mal durch, das Leben besteht nicht nur aus Sonnenschein.
Wir haben uns entschieden weiterhin als Wikinger durch Schweden zu segeln und haben einfach die Flagge gewechselt, respektive die Farben auf gelb-blau umgestellt. Für Pippi Langstrumpf habe ich doch etwas zu kurze Haare. Gemäss meinem Radführer müssen wir nun bald noch eine Bergkette überwinden. Die Hallandsas mit einer Höhe von 100 m.ü.M. lagen vor uns. Wenigstens hat jetzt der Regen nachgelassen, und bis ich auf der Passhöhe war, schien bereits wieder die Sonne. Oben auf dem Gipfel haben wir dann unsere Bleibe für diese Nacht in einem Motel gefunden. Bei uns in der Schweiz wäre das nun eine SAC Hütte. Nach diesen Wetterkapriolen gönnten wir uns heute früher Feierabend. Dann ging es wieder los, abladen, duschen, waschen und Kette ölen. Die Arbeit nach dem Fahren ist fast anstrengender als das Fahren selber. Wenigstens muss ich die Kleider nicht auch noch bügeln. Zur Feier des Tages gönnte ich mir am Abend eine typische schwedische Mahlzeit: Pannbiff (ähnlich wie Hacktätschli, mit Kartoffeln und Beerensauce) Es war sehr gut. Ein abwechslungsreicher Tag, vor allem was das Wetter betrifft geht zu Ende, und ich freue mich auf morgen und hoffe die Sonne wird unser Begleiter sein. Bei uns soll sie gemäss Zeitung bereits um 4.20 Uhr aufgehen. Keine Angst ich werde es nicht kontrollieren.
Erkenntnis des Tages: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleider.
20. Juni 2011 Östra Karup - Falkenberg 90 km
Start in die vierte Woche des Abenteuers Nordkap 2011. Heute war alles Wolkenverhangen und es regnete. Nach dem Essen packte ich meine Sachen zusammen und holte mein Wikingerschiff. Oh Schreck, ein Platten hinten! Auch das noch dachte ich mir. Also gut, ruhig bleiben, gut durchatmen und überlegen was zu tun ist. Rad weg, Schlauch raus und kontrollieren wo das Loch ist. Zum Glück hatte ich den Zimmerschlüssen noch nicht abgegeben, so konnte ich im Brünneli das Loch suchen. Es war tatsächlich eines vorhanden, das ich mit meinem Flickzeug repariert habe. Alles wieder montiert und jetzt konnte es wirklich los gehen. Ich muss mich jetzt outen: Ich war schon ziemlich nervös, denn ich habe noch nie alleine einen Platten behoben. Aber gewusst wie, das habe ich. So ging es heute erst um 10.15 Uhr in voller Regenuniform los. Das Motel war ja auf dem Gipfel der Bergkette, und so konnte ich zuerst eine 5 km lange Abfahrt geniessen, das Highlight des heutigen Tages.
Das Wetter war heute sehr rau, viel Regen und noch mehr Wind. Dieser kam dummerweise meistens von der falschen Seite. So strampelten wir nordwärts und kamen nach Mellbystrand, wo der längste Sandstrand Schwedens liegt. Eigentlich hätte ich gerne meine Badehose ausgepackt, aber die äusseren Bedingungen sprachen nicht dafür. Weiter ging es nach Halmstad dem Meer entlang. Eigentlich hätte das Wetter auf den Nachmittag sonniger werden sollen, so habe ich es auf jeden Fall gestern in der Zeitung gelesen. Ich weiss, schwedisch kann ich nicht, aber die Bilder kann ich schon noch richtig interpretieren. Nach dem Mittagessen in Halmstad ging es weiter der Küste nach bis Falkenberg. Mitten im Juhe dann ein Wolkenbruch und es schüttete, der Wind und der Regen peitschte mir ins Gesicht und es war wirklich ein harter Tag. Der Regen stoppte zwischenzeitlich wieder, aber der Wind blieb. Das hatte auch seinen Vorteil, mit dem Wind trockneten die Regenkleider sehr schnell wieder. Auch das schlechte Wetter hat seinen Vorteil, so konnte ich wenigsten den ganzen Tag die Regenklamotten anbehalten und musste sie nicht ständig an- und wieder ausziehen. Es war jedoch nicht kalt und ich fragte mich trotzdem: Wo ist der schwedische Sommer geblieben? In den Filmen von Inga Lindström ist in Schweden immer schönes und sonniges Wetter. Egal, ich wusste, dass es solche Tage geben wird und war darauf vorbereitet, und morgen ist wieder ein neuer Tag und das Wetter wird ganz bestimmt besser sein als heute.
Gegen 17 Uhr segelten wir endlich in Falkenberg ein und machten bei der Kirche eine Rast. Die Sonne schien nun plötzlich völlig überraschend, es war richtig schön. Ich genoss die Sonnenstrahlen, es tat so gut. Ich überlegte mir nun, wo wir heute bleiben sollen. Bis zur nächsten grösseren Ortschaft dauert es noch eine Stunde und mit diesem Wind bestimmt noch länger. Und da meine Beine etwas Puddingartig waren, habe ich mich für Falkenberg entschieden. Auf der Suche nach einem geeigneten Hotel traf ich Guy, ein Brite der in Frankreich lebt. Er ist ebenfalls mit Sack und Pack unterwegs wie ich, und er will ebenfalls zum Nordkap. Oh, ein Gleichgesinnter, doch noch ein zweites Highlight an diesem Tag. Der Kerl ist schon seit 2009 mit seinem Rennrad unterwegs. Von Frankreich, nach Barcelona, dann nach Süditalien, wieder nach Frankreich, mit der Bahn nach Berlin und nun ist er hier in Südschweden. Während dem Velofahren muss er noch Geld verdienen, das heisst er jobbt auf verschiedenen Landwirtschaftbetrieben. Er wird in Mittelschweden auf einem Betrieb für zwei Monate arbeiten und dann seine Reise fortsetzen. Crazy Typ! Hätte gerne noch länger mit ihm gesprochen, doch er musste zum Arzt. Er hat Probleme mit seiner Schulter. Au revoir Guy! Ich habe anschliessend ein einfaches Hotel mit fünf Zimmern gefunden, und ich bin der einzige Gast heute. Habe also ein ganzes Haus für mich alleine, nicht schlecht oder? In einer kleinen Pizzeria habe ich (schon wieder) eine super Pizza gegessen, bevor ich dann wieder zurückkehrte in mein Häuschen. Ich freue mich auf morgen und auf den 21. Juni, Mittsommer.
Erkenntnis des Tages: Der Optimist sieht eine Gelegenheit in jeder Schwierigkeit, und der Pessimist eine Schwierigkeit in jeder Gelegenheit.
21. Juni 2011 Falkenberg - Göteborg 123 km
Neuer Tag, neue Herausforderung. Vorerst nicht, der Himmel war wieder mit dunklen Wolken bedeckt und der Wind wehte von allen Seiten. Gleich am Morgen wurde ich aufgeklärt, dass heute zwar der längste Tag sei, aber die Schweden Mittsommer am Samstag nach dem 21. Juni feiern. Schade dann bin ich bereits in Norwegen. Wir segelten um 8 Uhr von Falkenberg los und waren motiviert in die Etappe gestartet. Vorerst führte der Radweg auf einer wenig befahrenen Strasse der Künste entlang. Wundschöne Aussichten, das wilde Meer, die grünen Wiesen und Wälder, die typischen schwedischen Häuser meistens in roter oder gelber Farbe, einfach nur schön. Wenn man der Küste nach fährt, muss der Wind einkalkuliert werden und der blies uns wieder heftig um die Ohren. Man kann nicht immer alles haben, wie man es gerne hätte. So ist das im Leben. Auf jeden Fall genoss ich die langsame und strenge Fahrt. Das erste Zwischenziel war die Kleinstadt Varberg, deren ganzer Stolz eine Festung aus dem 17 Jahrhundert ist. Nach einer kurzen Tour in der hübschen Altstadt fuhren wir weiter und kamen schon bald nach TANGABERG. Was für eine Ortschaft!
Der Weg führte nun nicht mehr direkt an der Küste entlang, sondern etwas im Landesinneren durch Felsen und Dünen. Der Wind war verschwunden! Schön mal wieder ohne erschwerte Umstände zu fahren. Ich trage ja so einen Pulsmesser um den Brustkorb herum und heute ist mir das Band ständig verrutscht. Ich verstehe nun die Frauen und weiss, dass es mühsam ist, wenn es oben nicht passt! Nach dem Mittag hatte ich extreme Lust auf Schokolade. Bei der nächsten Tankstelle machten wir Halt und kehrten ein. Die Schweden sind schon schlaue Leute. Die Schoggi war wie folgt angeschrieben (übersetzt): Milchschokolade mit echten Schweizer Nüssen. Natürlich habe ich die Schweizer Nüsse mit der schwedischen Schoggi gekauft und sie war gut! Ich habe mir noch einen Kaffee genommen und bin mit allem an die Kasse gegangen und wollte den Kaffee hinstellen. Genau wollte! Ich habe ihn über die Theke geschüttet, über die Belege, über die Computer Maus und…….. Super Schmidy, das war mir soooooo peinlich. Ich habe mich etwa 100mal bei der Verkäuferin entschuldigt. Sie konnte nun die Suppe aufputzen und ihr Kollege hat bei mir einkassiert, und hat mir nochmals einen Kaffee spendiert. Die Schweden sind so nette Leute. So genoss ich den Kaffee draussen und musste nicht mit ansehen, wie die Verkäuferin drinnen alles putzen musste.
Je länger der Tag dauerte, umso besser kam ich voran. Das tat richtig gut, nach den letzten Tagen, an denen ich schon ziemlich an der Grenze war. Egal, es ist vergessen, was zählt ist jetzt und morgen und die Zukunft. Auf geht’s nach Göteborg. Göteborg ist die grösste Hafenstadt Schwedens und ist mit Kanälen durchzogen. Ist aber kein Vergleich mit Venedig. Und sonst, wie eine Grossstadt halt ist, viele Häuser, viel Verkehr und ein interessanter Hafen. Nach einem Stadtbummel, natürlich mit meinem Fahrrad, mussten wir nun den richtigen Ausweg aus Göteborg finden. Der Weg nach Norden führt über eine Brücke aus der Stadt hinaus. Die grosse Brücke habe ich dann schon bald gefunden, nur habe ich die falsche Auffahrt genommen. Ich hätte auf der rechten Seite die Götaälvbron überqueren müssen, bin aber cool auf der linken Seite gefahren. So war ich ein Verkehrshindernis, aber jeder hat gesehen, dass ich ein Tourist bin und hat es mir verziehen. Als ich bereits aus der Stadt raus war kehrten wir in einem Motel ein. Liegt direkt an der Strecke und es hat einen Einkaufsshop mit einer Bäckerei, genau das richtige. Eigentlich wäre ich gerne wieder einmal zum Camping gegangen, aber bei diesem Wetter? Nein Danke. Habe Camping im Zimmer gemacht und habe Penne Bolognaise auf meinem Gaskocher gekocht. Hatte wieder einmal Lust auf Pasta. In den Restaurants hier gibt es fast nie Teigwaren, auch nicht in Deutschland und Dänemark, die essen alle Kartoffeln!
Erkenntnis des Tages: Schokolade macht tatsächlich glücklich.
22. Juni 2011 Göteborg - Haby 112 km
Kaum hat sich der Wecker bemerkbar gemacht, schaute ich umgehend zum Fenster hinaus. Oh was für sch……. Wetter. Kein Grund um zu verzweifeln, sondern zum Frühstück zu gehen. Das Wikingerschiff wurde wieder voll beladen, und wir waren abfahrbereit, als es gleich zu schütten begann. Also machten wir bereits die erste Pause! Aber die hat sich wirklich gelohnt, denn nur zehn Minuten später regnete es nicht mehr, und wir stachen in die See. Raus aus Göteborg war das erste Ziel, entlang der Autobahn und der Industrie führte unser Weg nach Kungälv. Von da an waren wir wirklich in der Natur, so wie man sich Skandinavien vorstellt. Bäume, Felsen, Wasser, vereinzelte farbige Häuser und kleine Dörfer säumten unseren Weg. Nur die Elche fehlten, überall wird damit Werbung gemacht, Souvenirs verkauft, aber zu sehen bekommt man keinen. Die ersten Kilometer waren wieder einmal hart, es braucht einfach etwa 20 km bis die Maschinerie ins Laufen kommt. Die Pasta von gestern spürte ich heute bereits schon in den Beinen, die wieder alles hergaben.
Nach rund 40 km sah schon von weitem die gigantische Tjörnbron, die das schwedische Festland mit der Insel Tjörn verbindet. In Stenungsund angekommen suchte ich die Fahrradauffahrt über die Hängebrücke. Das ist gar nicht so einfach. Schlussendlich bin ich mit dem normalen Verkehr über die Brücke geflogen. Es hatte tatsächlich einen Veloweg auf der linken Seite, aber ich kam nicht dahin. Zum Glück war es erst die „Vorbrücke“ und nach dieser konnte ich die richtige Spur nehmen und das imposante Bauwerk überqueren. Nun war ich auf der Insel Tjörn und es wurde eine super geniale Fahrt durch die Schärenküste. Zwar ging es ständig rauf und runter, aber dafür wurde ich mit super schönen Bildern verwöhnt, Inseln, Meer, Fjorde alles was das Herz begehrt. Ich habe alles so richtig aufgesogen, wie ein Schwamm das Wasser. Und dann ist es passiert, genau um 12.31 Uhr ist sie gekommen, die SONNE. Es war so schön ich musste gleich anhalten und meine Mittagspause machen. Auf einem grossen Felsbrocken ass ich meine Sandwiches und genoss die wunderbare Aussicht auf das Meer und die vielen kleinen Inseln.
Frisch gestärkt und mit der Sonne im Rücken ging es weiter rauf und runter. Schon ein kleiner Vorgeschmack auf die Berge in Norwegen. Plötzlich war ich vor einem Tunnel und da war ein Fahrradverbotsschild angebracht. Hilfe, was nun? Augen zu und ab durch die Mitte! Nein natürlich nicht! Mein Radführer wusste das, aber ich habe das irgendwie verpasst! Also musste ich retour und habe dann die richtige Strasse für Fahrräder genommen und bin dann wieder auf meine Route zurück gekehrt. So das wäre auch geschafft! Nun waren es etwa noch 30 km bis ans Etappenziel in Munkedal, aber die hatten es in sich. Die Strasse führte am Meer entlang und dann zum Dessert kam noch ein längerer happiger Anstieg. Das schönste an einem Aufstieg ist ja bekanntlich die Abfahrt, und die war wirklich der verdiente Lohn für die Strapazen. Schlussendlich bin ich in Haby gestrandet, in einem Motel. Die Motels haben den Vorteil, die liegen an der Wegstrecke, du hast eine Verpflegungs- und Einkaufsmöglichkeit gleich vor Ort, die Zimmer sind in der Regel Parterre, das heisst du kannst sogar dein Fahrrad mit in die Suite nehmen! Duschen, waschen, ausräumen und dann ging es zum Nachtessen. Unter allen Menus hatte es doch tatsächlich ein Pasta-Menu, das ich natürlich auswählte. Es war super und gibt mir wieder Kraft für morgen. Am Himmel wurde uns zum Tagesschluss ein herrliches Abendrot präsentiert, was gemäss alter Bauernregel gutes Wetter für morgen bedeutet. Heute war ein genialer Tag hier in Schweden, und morgen geht es bereits wieder über die Grenze nach Norwegen. Heja Norge, wir kommen.
Erkenntnis des Tages: Wegen den Elchen musst du nicht nach Schweden, du wirst keinen sehen!
23. Juni 2011 Haby - Sarpsborg 121 km
Habe ich diese Nacht gut geschlafen, hätte glatt noch länger im Bett liegen bleiben können. Die Matratze war so weich wie Watte, da fühlst dich gleich wie auf Wolke sieben. Ich bin dann trotzdem aufgestanden, denn heute stand uns wieder eine interessante Etappe bevor. Das Wetter? Ideal zum Radfahren, bewölkt, teilweise sonnig, leichter Wind, trocken und richtig angenehm. Bei brütender Hitze wäre es wesentlich unangenehmer zum Radeln, und schlussendlich haben wir auf unserem Schiff gar keinen Platz für einen Sonnenschirm.
Beim Aufladen habe ich festgestellt, dass im Hinterrad etwas Luft fehlte. Es war kein Platten, aber da fehlte Luft! Was nun? Schlauch wechseln oder nur pumpen? Ich habe mich fürs pumpen entschieden, obwohl es logischer gewesen wäre den Schlauch zu wechseln. Bauchgefühl. Im Notfall kann ich immer noch unterwegs einen Boxenstopp machen. Also segelten wir von Haby aus Richtung Norwegen. Ich habe heute nicht die empfohlene Route genommen, sondern habe meine eigene Strecke zusammengestellt, die gerade nordwärts an zwei langgezogenen Seen verlief. Es war dann auch Einsamkeit und Natur pur. Wald, Seen, Wiesen ab und zu ein Haus und Hügel um Hügel. Es war richtig gediegen und ich genoss die Ruhe, die wenigen Autos die vorbei fuhren störten kaum. Sogar an die Hügel habe ich mich gewöhnt. So ging es etwa 80 km lang bis die nächste grössere Ortschaft, Halden kam.
Bevor ich aber in Halden war geschah das Unglaubliche. Plötzlich röhrte hinter mir ein Elch! Leider war es kein echter, sondern ein cooler Typ mit seinem alten Volvo, der eine Elch-Hupe hatte. So sind sie die Schweden, coole Typen. Und dann um die Mittagszeit bei Kilometer 50 haben wir die Grenze nach Norwegen überquert. Mehr als eine Tafel stand da nicht und das wars. Ich war aber so happy, dass ich einen riesen Juiz los lies. Jetzt bin ich schon in Norwegen, Wahnsinn dachte ich mir. Ausser dass nun der Mittelstrich der Strasse gelb war, hat sich nichts verändert in Norwegen. Wir Wikinger haben nochmals die Farben der Flaggen gewechselt, und sind nun mit Rot, Blau unterwegs. Und was war mit meinem Hinterrad los? Alle zehn Kilometer habe ich wieder gepumpt und habe mich entschlossen in Halden einen Velohändler aufzusuchen. Das machte ich auch tatsächlich als ich dort war. Ein schöner Veloladen mit einer offenen Werkstatt. Ich konnte mein Wikingerboot gleich bringen und der Mechaniker hat mir den Schlauch gewechselt. Ich habe ihm erklärt, dass ich den Schlauch am Sonntag bereits geflickt hatte und so. Der Fachmann sah aber das Übel nicht im Schlauch sondern im Pneu. Ein kleiner Glassplitter hat sich dort eingenistet und hat mir die Luft geklaut. Zum Glück habe ich am Morgen den Schlauch nicht gewechselt!
Zufrieden und glücklich gings aus Halden raus. Es kam nochmals ein richtiger Schub, und meine Beine waren super zwäg. So fuhr ich noch bis 19 Uhr weiter und ergatterte mir in Sarpsborg ein Zimmer im Vandrerhjem (Jugendherberge) Hübsches kleines Haus und toll eingerichtet. Nach der Arbeit kochte ich mir in der Küche eine Bouillon und anschliessend gabs schon wieder Pasta Bolognaise. Der Amstad ist ein halber Italiener und könnte jeden Tag Pasta essen. Aber morgen geht’s nach Oslo und dort wird dann wieder einmal eine Kuh geschlachtet, oder auf jeden Fall Fleisch gegessen. Nach dem Essen genoss ich noch ein Bierchen, denn heute war ein ganz besonderer Tag. Ich habe die Marke von 2500 km erreicht und habe somit die Hälfte des Weges zurück gelegt. Dafür gabs noch einen lauten Juiz!
Erkenntnis des Tages: Mach nicht immer das was logisch wäre, sondern hör auch mal auf dein Bauchgefühl.
24. Juni 2011 Sarpsborg - Oslo 106 km
Nach einer kurzen aber guten Nacht im Vandrerhjem machte ich mich startklar für den heutigen Tag mit dem grossen Ziel Oslo. Ich wusste, dass das Gelände heute wieder anspruchsvoll sein wird, denn rund um Oslo hat es einige Erhöhungen. Bei angenehmen Temperaturen verliess ich Sarpsborg Richtung Moss, das direkt am Oslofjord liegt. Die Route war nicht spektakulär und verlief auf Nebenstrassen und zum Teil auf Hauptstrassen. Von der Natur her kein Vergleich mit den letzten Tagen. Die Holzwirtschaft ist hier ein sehr wichtiger Industriezweig, es hat demzufolge auch unendlich viele Wälder.
Nach rund einer Stunde wurde es immer dunkler am Himmel. Der Tag wurde zur Nacht und ich hatte gedacht, die hätten hier im Sommer länger Tag als wir. Es ging auch nicht lange und es begann zu regnen und ich habe wieder einen Tenuewechsel vollzogen. Das einzig gelbe was nun leuchtete war meine gelbe Gepäckregenhülle. So fuhr ich in Moss ein und wollte weiter Richtung Oslo und stand wieder vor einer Brücke, wo Radfahrer und Segler nicht durch dürfen. Ich musste über diesen Fluss, aber wo? Ruhig bleiben und nicht nervös werden, zuerst ass ich ein Vanillebrötchen und dann suchte ich den richtigen Weg und habe ihn auch tatsächlich gefunden. Ich musste ein Steilrampe hinauf, unglaublich mega Hammer steil. Es war mir klar, dass ich fahren musste, denn mein Boot da rauf schieben, das hätte ich nie geschafft. Oben angekommen, war ich so ziemlich ausser Puste, aber froh nun auf dem richtigen Weg zu sein. So radelte ich über Landstrassen weiter aber fand nie so richtig den Rhythmus, so dass ich bei einer Tankstelle mein Picknick nahm und mir trockene Kleider anzog. Irgendwie war heute einfach nicht mein Tag und ich kam gar nicht in Schwung. Und dann noch die doofen Radwege an den Hauptstrassen. Die verlaufen parallel zur Strasse und plötzlich zweigen sie ab, über einen Hügel und in der Regel geht es so steil nach oben, die Steilrampe der Pilatusbahn ist ganz bestimmt nicht so steil. Ich glaube die Norweger sind keine Radfahrer, denn die Autofahrer beachten die Radler nicht, und man muss selber aufpassen. Da waren die Dänen absolute Weltklasse.
Langsam aber sicher kamen wir unserem Ziel immer näher. Oslo liegt an einem Fjord und der Weg ins Zentrum führte zum Schluss noch über den Ekeberg. Die Abfahrt führte gleich ins Stadtzentrum hinein wo ich bei strömenden Regen mein Hotel suchte, und dann auch irgendwie fand. Diesmal habe ich mir eine bessere Bleibe im Zentrum von Oslo geleistet. Mein Wikingerboot hätte ich gegenüber auf dem öffentlichen Fahrradparkplatz abstellen sollen. Sicher nicht oder? Habe es dann selbständig im Hotel eigenen Parkhaus versorgt. Es gibt Momente da muss man nicht Quatschen sondern Machen. Nach der verdienten Dusche ging ich einkaufen und anschliessend machte ich eine erste Tour durch Oslo. Das Wetter wurde jetzt immer besser. So bin ich zum Königsschloss und anschliessend zum Wahrzeichen von Oslo dem markanten Radhuset spaziert. Am Meer, an der Aker Brygge, war heute mächtig was los, ich glaube ganz Oslo war unterwegs. Nach diesem strengen und zermürbenden Tag hatte ich ja noch die Halbzeit zu feiern. So habe ich mich unter die Osloer gemischt und habe im Big Horn Steak House gegessen. Zwiebelsuppe, Rindsfilet mit Pommes und Spinat, einfach himmlisch gut und ich habe es so richtig genossen. Morgen wird ausgeschlafen, dann wird das Boot wieder auf Vordermann gebracht und dann gehts ab in die City.
Erkenntnis des Tages: Nicht Quatschen, sondern Machen.
25. Juni 2011 Ruhetag in Oslo
Heute war Ruhetag in Oslo, das heisst aber nicht, dass ich nur auf der faulen Haut gelegen bin. Nach einem super Frühstück ging es zuerst an die Wäsche. Ruhetag ist immer grosser Waschtag und so habe ich alle Jacken und was sonst noch zum Waschen war gereinigt. Dann ging es in die Tiefgarage, Veloputzen und Kette wieder schön einölen. Nach getaner Arbeit, folgte nun das Vergnügen und dazu gings ab in die City. Bei der Touristinformation holte ich mir verschiedene Infos und entschloss mich nicht auf eine Bustour zu gehen. Zuerst besichtigte ich das futuristische Gebäude der Oper von Oslo, die direkt am Meer steht. Es wird überall in Oslo gebaut, das ist sehr auffallend, vor allem im Zentrum und am Meer. Irgendwie müssen die wohl ihre Öl-Milliarden verpulvern.
Am Bahnhof kaufte ich mir am Automaten eine Tageskarte für den ÖV. Ich war selber ganz überrascht, dass das funktioniert hat und so begann meine Schulreise durch Oslo. Mit der U-Bahn fuhr ich Richtung Holmenkollen und musste nach 10 Minuten auf den Bus umsteigen. Es ging den Berg hinauf zur gigantischen Skisprunganlage. Die Schanze wurde kürzlich neu gebaut und sieht einfach sensationell aus, es haben rund 50‘000 Leute in der Arena Platz. Natürlich war ich dort, wo sonst Simon Ammann und seine Kollegen stehen, oben am Start. Es ist wirklich unglaublich mutig da runter zu springen, ich verneige mich vor den Skispringern, Hut ab. Aber auch die Aussicht auf die Stadt war atemberaubend. Meer, Wälder, Strassen und dazwischen viele bunte Gebäude, das ist Oslo. Die Asiaten sind ja schon unglaublich. Die springen mit ihrer Kamera umher und knipsen alles ab, was ihnen über den Weg kommt. Ich glaube vor lauter herum hetzen bekommen die gar nichts mehr mit.
Wieder zurück in der Stadt, spazierte ich durch den Frogener Park mit seinen undendlich vielen Skulpturen und fuhr anschliessend mit dem Tram an den Hafen, wo ich auf das Schiff umstieg und auf der Museumsinsel Bygdoy landete. So habe alle verschiedenen ÖV’s benutzt. Natürlich darf der kulturelle und geschichtliche Teil bei einer Stadtrundfahrt nicht vergessen werden, deshalb besuchte ich das Vikingskipshuset. Ein Museum mit drei gut erhaltenen Wikingerschiffen. Das war ja fast ein Muss, für einen Wikinger wie mich. Das mit dem Wikinger sein ist nun passé, ab morgen geht es in die Berge und dort sind bekanntlich keine Wikinger unterwegs. In den Bergen von Norwegen leben die Trolle, also werden wir in den nächsten Tagen als Trolle unterwegs sein, und sehen was wir alles anrichten werden. Die Trolle wurden früher als schadenbringende Geisterwesen in Riesen- oder Zwergengestalt dargestellt. Aber heute werden die in jedem Touristenshop verkauft, dann können die gar nicht so schlecht sein.
Heute waren viele „schräge Vögel“ unterwegs, es war tatsächlich auffallend. Bis ich endlich bemerkte, dass an diesem Wochenende die „Skeiver Dager“ in Oslo sind. Die Schwulentage! Naja, ich musste keine Angst haben, mit meinem schönen Wikingerbart und meinen Mammuthosen war ich völlig fehl am Platz. Ist auch besser so. Nach meinem Schulreisli bin ich noch einkaufen gegangen, schliesslich musste ich wieder aufrüsten für die nächste Woche. Und wie das so ist wenn Männer einkaufen, wir kaufen immer zu viel ein. Selber schuld, ich muss es selber herum schleppen. Anschliessend gönnte ich mir eine Pause in der Sauna, bevor es dann ans Vorbereiten der nächsten Woche ging. Ab morgen gilt es ernst, es geht in die Berge. Heja!
Erkenntnis des Tages: Hetze nicht ständig herum, sonst verpasst du dein ganzes Leben.
26. Juni 2011 Oslo - Hov 132 km
Heute war ich ausnahmsweise vor dem Wecker wach. Irgendwie war ich aufgeregt, wie früher vor einer Prüfung oder einem wichtigen Tag. Ich glaube die Bergetappen machen mir nicht Bauchweh, aber ich habe schon etwas Respekt davor. Also packte ich meine sieben Sachen zusammen und ging anschliessend zum Frühstück. Am Sonntag war erst ab 8 Uhr Frühstück, das hat meinen Plan etwas durcheinander gebracht. Ist ja egal, eigentlich habe ich genug Zeit und dem entsprechend habe ich die Mahlzeit voll genossen. Auch das Wetter zeigte sich heute von der aller besten Seite, strahlender Sonnenschein. Top motiviert verliess ich Oslo mit sehr guten Erinnerungen. Schon beim Herausfahren aus Oslo ging es stetig Bergauf. Kleine Quizfrage: Wer weiss für was man in Norwegen den Ausdruck ledig braucht? Im Parkhaus, bei der Einfahrt steht auf der Tafel: ledig, das heisst das Parkhaus ist frei! Musste gleich ein Foto machen. An dieser Stelle noch eine Ergänzung zum Blog von gestern. Dass die Männer immer zu viel einkaufen, bezieht sich natürlich nur auf die Lebensmittel. Bei den Kleidern und Schuhen sind uns die Frauen Meilenweit voraus.
Langsam aber sicher verabschiedeten wir uns von der Stadt und waren schon bald auf dem Land oder besser gesagt im Wald. Mein Radführer hatte eine abenteuerliche Strecke durch Wälder über einen Berg (600 Höhenmeter) und auf Schotterstrasse für mich bereit. Ich war ja gespannt und neugierig. 30 Kilometer führte die Strasse durch Wälder ab und zu wieder ein See und die Strassenunterlage war wirklich aus Schotter. Ist nicht angenehm zu fahren, aber dafür war das Ambiente super. Wirklich faszinierend, Baum um Baum einfach Wald wo das Auge hinsah. Zwischendurch hatte ich aber auch ein mulmiges Gefühl, wenn du dich da verfährst, dann bist du der Super Schmidy! Darum habe ich ab und zu wieder einen Biker aufgehalten und habe ihn gefragt, ob ich noch auf dem richtigen Weg sei. Das war zum Glück immer so. Gibt es eigentlich wilde Tiere in den Wäldern von Norwegen? Sicher keine Schlangen und riesen Spinnen, aber ich hatte schon verschiedene Begegnungen mit Tieren. Plötzlich standen zwei junge Schafe mitten auf der Strasse vor mir und wenig später drei Pferde. Wenn es nichts Weiteres ist, ist ja alles in Ordnung. Ich genoss die Waldfahrt richtig und den Aufstieg bewältigte ich auch gut. Aber ich war dann trotzdem froh, wieder Asphalt unter den Rädern zu haben. Heute waren meine Beine wieder mega super in Form, das hilft natürlich enorm.
So bin ich auf der anderen Seite im nächsten Tal angekommen und mein Weg führte nun an einem See entlang. Der Randsfjorden ist nicht so breit, aber er ist unglaubliche 80 km lang! Auf und ab fuhr ich dem See entlang. Vereinzelt hatte es Häuser, aber keine Dörfer, keine Läden, keine Tankstellen, keine Hotels, so zu sagen nichts. Da es bereits schon später war, musste ich mir überlegen was ich machen sollte. Nach der Konsultation meiner Karte habe ich mich entschlossen nach 35 km die Seeseite zu wechseln. Dazu benützte ich die einzige Fähre auf diesem See und machte den Seitenwechsel, denn auf der andren Seite hatte es ein Hotel sowie einen Campingplatz. Da die Beine immer noch fit waren, war ich heute etwas länger unterwegs und bin um 19.30 Uhr im Camping Lyngstrand in Hov eingefahren. Logischerweise liegt dieser Camping direkt am Randsfjorden. Ich freue mich wieder auf die Abwechslung, gestern Luxushotel, heute Camping und morgen wieder Jugendherberge. Ich bin so abwechslungsreich wie die Natur hier. Zum Nachtessen kochte ich mir Pasta Napoli. Ich habe da so einen Beutel gekauft mit zwei Portionen drin. Das war nicht einmal eine halbe Portion, musste nachträglich noch die restlichen Penne in die Pfanne hauen, damit ich genug hatte. Ich sitze um 11 Uhr immer noch draussen, die Sonne ist zwar unter gegangen, aber es ist immer noch hell. So genial, da willst du eigentlich gar nicht ins Bett gehen. Genau das mache ich nun aber trotzdem, denn morgen wartet der nächste Berg, und es geht in die Olympiastadt Lillehammer.
Erkenntnis des Tages: Auch ein Seitenwechsel kann sich lohnen.
27. Juni 2011 Hov - Lillehammer 77 km
Unglaublich, gestern noch so ein wunderschöner Abend, Wolkenlos, um Mitternacht noch hell und heute Morgen regnete es! Ich bin es ja schon gewöhnt bei Regen mein Zelt abzubrechen. So ass ich zuerst auf der Couch im Camping mein Frühstück und dann ging es ans zusammenpacken. Beim Campen dauert es immer etwas länger bis ich startklar bin, und wenn es dann noch regnet, dauert es noch einen Moment länger. Um 10 Uhr war es aber dann soweit und die Reise konnte weiter gehen. Kaum 10 Kilometer gefahren, zog ich die Regenkleider aus und fuhr normal weiter, denn mittlerweilen war es wieder trocken. Dann endlich war dieser Randsfjorden zu Ende und ich bin in Dokka angelangt. Bei diesem See kann man nicht sagen: Du Schatz ich fahre schnell um den See! Das würde rund 170 km dauern. Auf jeden Fall ist der See Geschichte und wird mir als längster See in Erinnerung bleiben.
In Dokka machte ich Halt und bin ins Einkaufszentrum verschwunden. Das Frühstück war etwas mager, so musste ich noch etwas Kohle nach werfen. Ausgerüstet mit einem Joghurt und einem ganzen Brot und natürlich etwas Süssem, ass ich nochmals ein Ration. So ab jetzt gilt es ernst, drei Bergzüge stehen vor uns auf dem Weg nach Lillehammer. Mit der ersten Steigung begann es dann auch wieder zu regnen = Kleiderwechsel. Irgendwie fand ich den Tritt nicht richtig und die ersten 5 km der Steigung waren eine Qual, und ich hätte am liebsten den Bus genommen. Was macht man in so einer Situation, genau eine Pause. Nach dieser Pause lief es dann besser, und ich fand den Rhythmus. So schlängelten wir uns durchs Gebirge. Die Berge sind hier nicht zu vergleichen mit den Pässen in der Schweiz. Hier fährst du durch Wälder Bergauf und die meiste Zeit geht es gerade aus. In den oberen Regionen wurde es schon etwas kälter und der Nebel nahm mir die Aussicht in die Täler, schade. Als ich dann endlich oben angekommen bin, musste ich mich umziehen, denn ich war ziemlich verschwitzt. Bei dieser Kälte habe ich mir für die Abfahrt sogar die Winterhandschuhe und eine Kappe angezogen. Zuerst habe ich aber noch mein Picknick gemacht und wurde gestört von so doofen Schafen. Da oben hat es unendlich viele Schafe, die laufen rum oder liegen auf der Strasse oder springen dir entgegen, da musst du schon aufpassen. Ich dachte immer an ein Lammfilet vom Grill, das wäre der Hammer gewesen. Doch die Realität war anders, und ich machte mich für die Abfahrt bereit. Bevor es dann richtig runter ging, waren da noch zwei kurze aber sehr nahrhafte Steigungen zu bewältigen. Doch dann die Erlösung, im Eiltempo ging es runter ins Tal und von dort waren es noch 8 km bis nach Lillehammer. Jupie! Beim Kreisel bin ich falsch eingespurt und wäre bald auf der Autobahn gelandet, habe es aber gerade noch bemerkt und bin umgekehrt.
Als mir dann im Tal die Radfahrer mit kurzen Hosen und kuren Hemden entgegen kamen, musste ich dann definitiv meine Kappe und meine Winterhandschuhe versorgen. Heute kam ich mir vor wie ein Model, ständig ausziehen und wieder anziehen….. Müde aber zufrieden und glücklich habe ich in Lillehammer mein Zimmer im Vandrerhjem bezogen. Nach der warmen Dusche habe alles gewaschen und überall im Zimmer aufgehängt. Lillehammer war 1994 der symphatische Austragungsort der Olympischen Winterspiele. Unser Vreni Schneider hat die Skination Schweiz mit einem ganzen Medalliensatz gerettet. Danke Vreni du bist immer noch die BESTE. Lillehammer ist ein kleines hübsches Städtchen an einem See und im Hang gelegen. Natürlich musste ich die Halle und die Skisprungschanze besichtigen bevor ich dann beim Italiener eine Zwiebelsuppe und eine Portion Spaghetti Bolognaise genoss. Vollgestopft gings dann retour ins Zimmer und was für eine Überraschung, ich habe noch einen Zimmerkollegen bekommen. William aus Kanada war unter der Dusche. Super meine Kleider waren überall und ich musste noch etwas aufräumen. Er sei es sich aber gewöhnt, denn er habe schon oft das Zimmer mit Radfahrern geteilt. Morgen geht es weiter in den Bergen durch unbekannte Dörfer und mit dem Fernziel Trondheim.
Erkenntnis des Tages: Die Zeit die du für eine Pause investierst, wirst du wieder zurück gewinnen.
28. Juni 2011 Lillehammer - Otta 118 km
Heute war um 7 Uhr Tagwache, und unser Kanadischer Freund William blieb aber noch im Bett. Egal, nach dem Frühstück packte ich meine Sachen zusammen und habe mein Fahrrad beladen. Die Jugendherberge in Lillehammer kann ich bestens empfehlen, dort muss man die Bettwäsche nicht selber überziehen! Das ist Luxus. So fuhr der Troll-Express raus aus Lillehammer Richtung Berge. Der Himmel war stark bewölkt, aber die Temperaturen waren sehr angenehm. Nach rund zwei Kilometern waren wir bereits aus Lillehammer raus. Das ist der Unterschied zu einer Grossstadt, da brauchst du 20 km. Unser Weg führte heute durch das Gudbrandsdalen, ein Tal das rechts und links aus Bergen besteht, in der Mitte ein Fluss, eine Strasse und einige Häuser und Dörfer. Zuerst folgte ich meinem Radführer und fuhr links vom Fluss auf dem Radweg oder besser gesagt auf einer wenig befahrenen Strasse. Da geht es dann plötzlich wieder drei Kilometer Bergauf für nichts, doch, dass du nachher wieder runter fahren kannst. So habe ich mich kurzer Hand entschlossen, ab sofort für heute auf der Hauptstrasse, der E6 zu fahren. Die Strasse ist zwar ziemlich stark frequentiert, denn es ist die Hauptverbindung zwischen Oslo und Trondheim. Die grossen Vorteile der Hauptstrasse sind jedoch, dass sie in der Ebene verläuft, einen super Belag hat (es rollt viel besser) und ständig wieder Tankstellen und Shops anzutreffen sind. Ich glaube definitiv, dass die Vorteile überwiegen.
Vorbei an den bekannten Skiorten Hafjell und Kvitfjell, wo jeweils die Weltcuprennen stattfinden, rollten wir in dieses lange Tal hinein. Es lief heute wirklich sehr gut, hatte Speed drauf, aber musste mich stark auf den Verkehr konzentrieren. Langsam aber sicher kam die Abzweigung Richtung Berge und dort sah es ganz düster aus, dunkel und neblig. Das gefiel selbst uns Trollen ganz und gar nicht. Also schoben wir eine Pause ein, assen etwas, überlegten und konsultierten die Karte. Wir kamen zum Entschluss, dass wir weiterhin der E6 folgen werden und einen anderen Weg nach Trondheim einschlagen werden, als dass wir geplant haben. Es gibt Momente, da muss man flexibel sein und auch einmal einen Plan ändern können. So fuhren wir weiterhin durchs Gudbrandsdalen auf der E6. Der Fahrradständer wackelte seit zwei Tagen schon wieder ziemlich stark und so fuhr ich gleich zu einer Garage. Der nette Herr zog die Schraube an und nun hoffe ich, dass es für die nächsten 2000 km reicht. Oder sollte ich vielleicht meinem Fahrrad ein Viagra geben?
In Otta war dann Schluss für heute, und wir haben wieder einmal in einem Hotel eingecheckt. Ihr wisst schon was jetzt folgt, genau Duschen, Waschen, Velo putzen und Kette ölen und Nachtessen. Heute erfüllte ich mir den Wunsch von gestern und habe ein super feines Lammfilet gegessen. Somit eines weniger, das auf der Strasse Velofahrer und Autofahrer ärgert. Zum Dessert gönnte ich mir noch ein Stück Himbeerkuchen. So ging ein rundum erfolgreicher Tag zu Ende.
An dieser Stelle möchte ich mich bei euch allen zu Hause in der Schweiz für die Unterstützung und die positiven Feedbacks via Mail und Gästebucheinträge recht herzlich bedanken. Es macht mir mega Spass dieses Tagebuch zu schreiben, und ich freue mich, dass ihr mich auf dieser unglaublichen Reise begleitet. DANKE!!! Am 29. Juni 2001 ist unser Sohn Fabio zur Welt gekommen, es war wohl der bewegendste Moment in meinem Leben. Lieber Fabio ich wünsche dir zu deinem Geburtstag auf diesem Weg alles Gute, viel Glück und eine super Party. Sorry dass ich nicht zu Hause bin. Heb Sorg und ich ha dich gärn.
Erkenntnis des Tages: Wenn du weisst, woher du kommst, kannst du überall hingehen.
29. Juni 2011 Otta - Oppdal 128 km
Heute stand die Königsetappe auf dem Programm mit der Überquerung des Dovrefjell-Nationalparks. Es war mir bewusst, dass es ein harter Tag werden wird, dem entsprechend war ich sehr konzentriert, motiviert und voller Zuversicht. Denn auch in Norwegen wachsen die Berge nicht bis zum Himmel. Bevor ich dann in Otta abrauschte, durfte ich die Sonnenbrille montieren und Sonnencreme einschmieren. Schon auf den ersten Kilometern spürte ich, dass ich heute gute Beine hatte, und so kam ich sehr gut voran. Das Tal wurde immer enger, die Bergflanken kamen immer näher und es ging stetig Bergauf. Da waren nur noch der Fluss, die Strasse und die Bahnschienen. Es kam mir vor, als ob ich mich in einer Modelleisenbahnanlege befinden würde. Okay, solange ich nicht ständig im Kreis herum fahren muss.
Am Ende des Gudbrandsdalen bin ich in Dombas angekommen, wo ich mich nochmals verpflegt und gestärkt habe. Denn ab jetzt ging es nochmals kräftig aufwärts. Die Steigung war eigentlich sehr angenehm, denn sie war nicht so steil und verlief sehr gleichmässig. Und wenn du dann noch im Rhythmus fahren kannst, dann geht es schon fast von alleine. Mitten im Aufstieg durfte ich wieder einen Juiz von mir geben, die 3000 Kilometer Marke war durchbrochen. Das geht immer schneller, bloss habe ich die 1000er Marke gefeiert. Das motiviert natürlich zusätzlich und gibt neue Energie. Vor lauter strampeln merkte ich gar nicht, dass es hinter mir immer dunkler wurde. Es war ein super Bild, vor mir war der Himmel blau, und hinter mir war er schwarz. Zum Glück musste ich in die richtige Richtung. Nach dem Aufstieg fuhr ich lange durch ein schönes Hochtal, durchsetzt mit endlosen Mooren und Seen. Es war der Dovrefjell Nationalbark, mit dem schönen Blick auf die Berge des Dovrefjells. Ich muss ja gestehen, so super wie das mein Radführer beschrieben hat, war das nun auch wieder nicht. Unsere Berge in der Schweiz sind doch noch imposanter, eindrücklicher und kein Vergleich mit denen, die ich heute gesehen habe. Aber es war trotzdem schön.
So jetzt begann der Schlussaufstieg nach Hjerkinn, das ist übrigens der trockenste Ort Norwegens. Ich hoffte ganz fest, dass es auch für heute so bleiben wird. So erreichte ich den Gipfel auf 1026 m.ü.M. und somit den Höhepunkt (Meter mässig) meiner Nordkap-Reise. Das war doch gleich nochmals einen Juiz wert. Oben auf dem Rastplatz machte ich nun meine verdiente Mittagspause. Zum Festmahl gab es norwegisches Bündnerfleisch und dazu ganz viel Schoggi, leider auch norwegische. Der Wind blies mir da oben schon heftig um die Ohren, so dass ich mich für die Abfahrt warm anzog. Aber diesmal ohne Kappe und Winterhandschuhe. Jetzt folgte die längste Abfahrt, die ich je gefahren bin, hinunter ins nächste Tal. Es waren rund 45 km die ich runter donnerte, ein unglaublich schönes Gefühl und der Lohn für die vielen Aufstiege und Schweisstropfen der letzten Tage. So war ich heute etwas früher als auch schon am Etappenziel in Oppdal angekommen. Ein beliebter Wintersport Ort der Norweger. Die Routenänderung hat sich voll ausbezahlt, das Wetter war heute viel besser in den Bergen, und die Strecke war einfacher als die geplante. Auf dem Menuzettel waren Spaghetti Napoli, Kohlenhydraten auffüllen, damit ich auch morgen wieder gute Beine habe, die mich nach Trondheim fliegen lassen. Es war ein super genialer Tag, mit vielen Höhepunkten und es geht mir ausgezeichnet. Jeder Tag ist wieder ein Training mehr für den Rest der Tour und stärkt das Selbstvertrauen.
Erkenntnis des Tages: Ob etwas gelingt, erfährst du nicht, wenn du darüber nachdenkst, sondern wenn du es ausprobierst.
30. Juni 2011 Oppdal - Trondheim 125 km
Was für ein Tag heute. Draussen haben sie die Berge versorgt, alle waren hinter dem Nebelvorhang versteckt und es regnete. Egal, ich wollte und musste heute nach Trondheim, und das bei jedem Wetter. Ich habe diese Nacht in einem Hotel logiert, da die Jugendherberge bereits voll besetzt war. Das reichhaltige Frühstück genoss ich wie immer. Den Muskeln zu liebe muss ich unter anderem viel Eier essen, und so nehme ich jeweils zum Frühstück Rührei, obwohl ich das nicht so gerne habe. Heute habe ich rausgefunden, dass Rührei mit Konfitüre eigentlich noch ganz gut schmeckt. Mein treuer Weggefährte durfte diese Nacht im Skistall übernachten, und als ich ihn wieder abholen wollte, ging die Türe nicht mehr auf. Irgendwie klappte es doch noch nach 15 Minuten, aber ich war schon ziemlich genervt.
Um 9 Uhr gings dann definitiv los. Der Regen hatte sich in Nieselregen umgewandelt und es war ziemlich frisch. Die ersten fünf Kilometer waren Horror, meine Oberschenkel brannten und ich hatte das Gefühl, sie seien so gross wie jene eines Elefanten. Ich musste mich richtig in die Etappe „rein knien“ und möglichst schnell den Rhythmus finden. Das gelang mir dann auch nach rund 15 km und kurz darauf ist mein Bordcomputer ausgestiegen, die Batterie war alle. Was wird wohl noch alles kommen heute? Nach 35 km machte ich eine erste Pause bei einer Statoil Tankstelle, zog mich wieder trocken an und wärmte mich mit einem Kaffee auf. Hier in Norwegen haben alle spezielle Kaffeebecher (Thermosbecher). Die kommen in den Shop rein, Becher unter die Kaffeemaschine und weiter geht’s. Die Norweger sind nette, hilfsbereite und eher etwas zurückhaltende Leute. Die Sprache ist schwierig zu verstehen, wenn man aber so flüchtige hin hört, hat es Ähnlichkeiten mit dem Schweizerdeutsch. Ich habe mich schon manchmal umgedreht und dachte da seien Schweizer. Falsch, es waren Norweger.
Die Fahrt ging weiter und immer noch bei Nieselregen. Es war etwas langweilig, denn vor lauter Nebel sah man nichts. So gönnte ich heute meinem Fotoapparat einen Ruhetag. Dann begann ich vor mich her zu singen und landete zum Schluss bei den Nationalhymnen. Übrigens wer weiss welche Hymne keinen Text hat? Die „Marcha Real“, die spanische Nationalhymne, und schon wieder etwas gelernt. Dann begann ich noch zu dichten und zu reimen. Das tönte etwa so: When the rain and the wind, blows me in the Grind, then it’s very hart, also with a Bart. Ich hatte es lustig und so verging die Zeit und die Beine konnten in Ruhe arbeiten. Da noch zwei aktuelle Börsenempfehlungen: Kühne + Nagel – VERKAUFEN, die haben die schlimmsten LKW-Fahrer, die überholen und fahren halsbrecherisch und nehmen keine Rücksicht auf Radler, Statoil – KAUFEN, die haben die besten Tankstellenshops, ich liebe sie! 20 km vor Trondheim waren wir auf der E6 nicht mehr geduldet, denn die verwandelte sich in eine Autobahn, und wir fuhren im Zickzack auf Radwegen nach Trondheim. Bevor wir aber dort waren, führte der Weg nochmals über einen Hügel und bescherte uns einen nahrhaften 4 km langen Aufstieg. Natürlich mit anschliessender Abfahrt ins Zentrum von Trondheim.
Der Schlussaufstieg führte zum Vandrerhjem Rosenborg, wo ich für die nächsten beiden Nächte untergebracht bin. God save the Queen und uns alle auch, ich bin angekommen, Danke. Nachdem ich meine Sachen irgendwie verstaut hatte, bin ich in die Stadt zum Essen gepilgert. Ich hatte einen riesen Hunger, und der musste möglichst schnell gestillt werden. Nach diesem Tag genoss ich zur Vorspeise Poulet-Flügeli und zum Hauptgang folgte ein Entrecote mit Pommes und dazu ein Bier. Was für eine Belohnung für den heutigen Tag. Morgen ist Ruhetag in Trondheim und ich gehe ins Pirbadet, das ist das Alpamare von Trondheim. Ich und meine Beine freuen sich darauf.
Erkenntnis des Tages: Nach einem harten Tag sollst du dich belohnen.
1. Juli 2011 Ruhetag in Trondheim
Heute war Wellness Tag in Trondheim. Nachdem ich ausgeschlafen und gefrühstückt hatte, habe ich meine Badehose eingepackt und bin losgezogen in die Stadt. Zuerst machte ich einen kleinen Sightseeing Spaziergang durch die drittgrösste Stadt Norwegens. Natürlich regnete es auch heute wieder. Die Mitarbeiterin an der Rezeption meinte, dies sei der norwegische Sommer, immer nur Regen, wenig Sonne und im Winter sei es sehr kalt und dunkel. Sie war schon etwas frustriert und ich habe zu ihr gesagt, dass ab morgen das Wetter viel besser werde. We will see.
Sehenswert in Trondheim sind vor allem die alten Lagerhäuser, die auf Stelzen am Wasser stehen und mit ihren farbigen Fassaden ein richtiger Farbtupfer sind. Dort steht auch die riesige Kathedrale, der Nidarosdom. Sonst hat Trondheim unzählige Museen, eines für dies, eines für das, aber es hat mich nicht so sehr interessiert. Mein grosses Ziel war heute das Pirbadet, die grösste Hallenbadanlage Norwegens, etwa vergleichbar mit unserem Alpamare. Das Hallenbad liegt direkt am Fjord und durch die grosse Fensterfront sieht man direkt in das Meer hinaus. Super gemacht und es gibt dem ganzen einen speziellen Rahmen. Für umgerechnet 18 Franken konnte ich mich den ganzen Tag im Bad aufhalten. Meine Badehosen hatten schon fast Standschäden und etwas Rost war auch zu erkennen, höchste Zeit also, dass ich sie nun auf meiner Reise auch einsetzen konnte. Zuerst hüpfte ich ins Sprudelbad und lies mir die Muskeln massieren und das immer mit Blick aufs Meer. Weiter folgte der Besuch im Dampfbad und in der Sauna und anschliessend wurden noch einige Längen geschwommen. Es hat auch ein Restaurant in der Halle, und dort wollte ich nun das Mittagessen einnehmen. Es war ein Hamburger & Pommes Laden. Irgendwie unlogisch, man macht etwas gesundes und zu essen gibt es nur ungesundes. Wo bleibt da die Logik? Irgendwo in einer Ecke hatte es dann aber noch eine Salatbar (Salatbuffet), an der ich mich bediente.
Bevor ich mich dann ganz im Wasser auflöste, verliess ich das Bad und machte mich auf die Einkaufstour für nächste Woche. Es war wirklich sehr erholsam und ich habe die Stunden im Bad voll genossen. Eigentlich sollte man das im Alltag viel mehr machen. In den nächsten beiden Wochen werde ich oft mit den Fähren einen Fjord oder das Meer überqueren. Im Vandrerhjem habe ich dann rund zwei Stunden die Fahrpläne studiert und mir die Route zusammengestellt. Es gibt Fähren die fahren nur drei Mal wöchentlich. Das macht einem abhängig und das habe ich nicht so gerne, aber das wird schon klappen. Dann wollte ich noch meinen Bordcomputer wieder einstellen, was nicht auf Anhieb funktionierte und zu guter Letzt ist mir in der Gästeküche mein Risotto übergeschwappt, alles auf der Herdplatte. Es hat super gerochen und ich hatte etwa 10 Zuschauer, die sich köstlich amusierten. Super Schmiedy! Jetzt war ich doch ziemlich genervt. Im Vandrerhjem ist seit heute die norwegische Junioren Mountainbike Nationalmannschaft untergebracht, und der Servicemann konnte mir mit dem Reifenumfang helfen, so dass ich alle Daten für den Radcomputer hatte.
Ab Morgen geht es wieder am Meer, an den Fjorden entlang und wir können endlich wieder Wikinger sein. Das Leben als Troll ist ziemlich anstrengend, deshalb haben wir die Trolle in den Berge gelassen. Ich freue mich auf die nächsten Tage und bin gespannte wie die Natur sein wird. Auf zum nächsten grossen Zwischenziel Bodo.
Erkenntnis des Tages: Auch an einem Erholungstag kann man sich (unnötig) nerven.
2. Juli 2011 Trondheim - Steinkjer
Nach einer unruhigen Nacht bin ich heute um 6.30 Uhr aufgestanden. Meine beiden Zimmerkollegen sind relativ spät nach Hause gekommen und im Zimmer nebenan haben sie die halbe Nacht durch gefeiert. Ich hatte ja im Alpamare genug Erholungszeit, also spielte das keine Rolle. Meine beiden Zimmerkollegen waren zwei lustige Vögel. Alex ist ein pupertierender Norweger und David ist ein Pole, der bisher seine schönsten Ferien auf Mallorca verbracht hat, weil er dort immer schönes Wetter hatte. Das glaubt er doch selber nicht. Naja, die beiden sind Vergangenheit und die Gegenwart hiess nun Fähre von Trondheim nach Vanvikan. Es war genauer gesagt ein Schnellboot und ich wusste nicht genau, ob ich mein Fahrrad mitnehmen konnte. Zum Glück hat alles prima funktioniert und mein Wegbegleiter durfte auch mit, sonst wäre ich einfach zu Fuss weiter zum Nordkap marschiert.
Nach der 30 Minütigen Schifffahrt über den Trondheimfjord sind wir in Vanvikan angekommen und nun konnte es losgehen. Ich setzte meinen Helm auf, der nun wieder mit zwei Wikingerhörnern ausgestattet ist, und wir fuhren los. Die ersten 30 km verliefen entlang dem Fjord, wunderschöne Stimmung unter trübem Himmel. Ich genoss die Ruhe so richtig, im Vandrerhjem war es mir am Schluss einfach zu viel. Es hatte sehr viele Gäste dort und es war wie in einem Ameisenhaufen. Ich kam mir vor wie ein Älpler, der nun in einer Stadt leben muss. Ich war etwas gestresst und genervt und musste mich heute wieder etwas beruhigen. Nach dieser ersten Teilstrecke verwandelte sich die Natur komplett. Ich fuhr nicht mehr dem Fjord entlang, sondern zweigte ins Landesinnere ab. Es ging gleich Bergauf und der Weg führte nun etwa 40 km lang durch Wälder an Seen vorbei wieder zurück an den Fjord. Genau auf dem Höhepunkt (320 m.ü.M.) hatte ich eine Unterhaltung mit einem entgegenkommenden Radfahrer. Er war etwa 70, und er hat mir erzählt, dass er von Trondheim aus mit dem Rad ans Nordkap gefahren sei. Vor drei Jahren und das ganze in einer Woche! Okay er habe kein Gepäck gehabt und sei mit dem Rennvelo unterwegs gewesen. Das ist voll easy!
Mein mittags Picknick genoss ich an einem kleinen See auf einer Bank. Es war einfach idyllisch und einfach nur schön. Ich genoss die Ruhe und vereinzelt zeigten sich sogar Sonnenstrahlen, wie schön. Ich hätte noch lange hier verweilen können, doch ich hatte ein Tagesziel, das ich erreichen wollte. Der letzte Teil meiner heutigen Etappe führte durch Dörfer und über Hügel an einem anderen Fjord entlang. In einem Aufstieg war plötzlich ein Rennvelofahrer neben mir und quatschte mich an. Ich habe ihm auf Englisch geantwortet und er meinte, wir könnten Deutsch sprechen. Er ist Deutscher und ist nach seinem Austauschjahr in Norwegen hängen geblieben, aber nicht wegen dem schönen Wetter! Wir hatten eine gute Unterhaltung auf dem Sattel und dann machte er sich wieder auf und davon. So bin ich bei strahlendem Sonnenschein in Steinkjer meinem heutigen Etappenziel angekommen. Man soll die Gunst der Stunde nutzen, und so bin ich auf dem Campingplatz gelandet. Zur Belohnung durfte ich dann noch kalt duschen, es kam kein warmes Wasser. Das hält einem wenigstens frisch. Zum Nachtessen kochte ich mir zur Vorspeise zwei Pouletbrüstli und zum Hauptgang Spaghetti Napoli. Ich muss jeweils in Etappen kochen, weil ich nur eine Pfanne habe. Übrigens heute hatte ich es wieder im Griff mit dem Kochen und das Menu war vorzüglich. So nun freue ich mich auf eine ruhige Nacht und bete, dass es trocken bleibt. Von Nacht kann man eigentlich nicht mehr schreiben, es ist hell während der ganzen Zeit. Es ist irgendwie schön, wenn du um Mitternacht noch draussen lesen kannst ohne Lampe, aber es ist auch sehr Gewohnheitsbedürftig. Da braucht es Disziplin um ins Bett zu gehen, und das mache ich jetzt. Guet Nacht.
Erkenntnis des Tages: Slow down, take it easy.
3. Juli 2011 Steinkjer - Hofles 136 km
Bei schönem Wetter bin ich bereits um 6.30 Uhr aus dem Schlafsack gehüpft und habe mit dem Zusammenpacken begonnen. Ein Zelt abbrechen bei trockenem Wetter ist richtig schön und braucht viel weniger Zeit. So ging die Fahrt bald los und raus aus Steinkjer, das war aber nicht ganz einfach. Die Strasse führte durch einen Tunnel, und der war wiederum für Radfahrer gesperrt. Super, das ist gleich doppelt ärgerlich, denn zuerst machst du einen Umweg, und der ist in der Regel mit einem Anstieg verbunden. Genau und der Anstieg war wieder einmal so steil wie die Pilatusbahn. Und das auf den ersten Kilometern am Morgen früh, danke.
Wir kamen dann wieder auf die richtige Strasse und genossen die Fahrt durchs Hinterland über Hügel und durch Wälder. Fast kein Verkehr und die Sonne im Rücken, einfach himmlisch. Die nächste grössere Ortschaft war Namsos nach 74 km, wo ich dann bei Statoil eingekehrt bin und mein Picknick machte. Die Ortschaften liegen nun immer weiter auseinander und es braucht eine gewisse Einkaufskoordination. Habt ihr gewusst, dass die Norweger den Muger vom Brot nicht essen. Im Hotel bleiben die alle liegen und in den Supermärkten hat es Maschinen, mit denen das Brot gleichmässig geschnitten werden kann. Bei uns zu Hause wird um den Muger gestritten. Was aber sehr positiv ist hier, wenn du in einem Restaurant bist, wartest du nie mehr als zehn Minuten auf dein Essen. Wenn das nur auch so in der Schweiz wäre. Der Alkohol ist tatsächlich sehr teuer hier. In Trondheim habe ich für ein Bier umgerechnet 12 Franken bezahlt, und das wohl gemerkt ohne Tanzeinlagen.
Dann war Schluss mit Sonne, das Wetter drehte und um 14 Uhr begann es zu regnen. Es regnete und regnete und hörte nicht mehr auf. Die Route pendelte nun zwischen Land und Meer hin und her und es gab einige Höhenmeter zu überwinden. Mit dem Wetter verschlechterte sich auch meine Stimmung, ich hatte nicht einmal mehr Lust zum singen. Die Gegend wäre so schön hier, das Meer, die Berge, die Wälder einfach Natur pur und extra Klasse, aber mit dem heutigen Grauton war nicht viel zu sehen. Schade, und Zeit zum warten hatte ich auch nicht, denn ich wollte die Fähre nach Hofles noch erwischen. So bin ich schön durchnässt in Lund angekommen, wo ich dann mit der Fähre nach Hofles fuhr. Die Stimmung war wirklich auf dem Tiefpunkt, und ich wusste noch nicht einmal genau wo ich Übernachten sollte. Auf den nächsten 20 km, folgen zwei Campingplätze und sonst ist da nichts. Zurück auf der Strasse folgte in Hofles die grosse Erlösung. Der Campingplatz vermietet auch kleine Hütten zu erschwinglichen Preisen. So habe ich mir für diese Nacht ein Ferienhaus, 20 Meter vom Meer entfernt gemietet. Genial, es war für mich fast wie Weihnachten und ich war mega happy. Nach der ganzen after Bike Arbeit kochte ich mir eine Bouillon und anschliessend gab es Penne. Meine Vorräte sind langsam aufgebraucht, das heisst morgen wieder einkaufen.
Im Aufenthaltsraum lernte ich Tanja und Denis aus Freiburg im Breisgau kennen. Die zwei sind ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs und machen hier in der Region Urlaub. Es war schön wieder einmal mit jemandem deutsch zu sprechen, und es war eine nette Unterhaltung. Anschliessend zog ich mich dann zurück in mein Weihnachtshäuschen und machte es mir bequem. Was für ein schöner Abschluss eines sehr harten Tages. Zum Glück lassen mich meine super Beine nicht im Stich! Für Morgen bin ich wieder bereit und freue mich auf die neue Etappe und die neue Herausforderung in Norwegen, bei hoffentlich schönerem Wetter.
Erkenntnis des Tages: Manchmal ist schon im Juli Weihnachten
4. Juli 2011 Hofles - Skogmo 120 km
Was für ein schönes Erwachen in meiner heimeligen Campinghütte. Draussen regnete es zwar noch leicht, doch für heute war trockenes Wetter vorausgesagt. Bevor wir abfuhren, habe ich meinem lieben, treuen und zuverlässigen Aarios Fahrrad die Kette gewechselt. Die sollte nun reichen bis zum Nordkap. Bis wir dann starteten, hatte sich auch der Regen bereits verzogen. So fuhren wir Richtung Kolvereid, wo es dann zum Grosseinkauf ging. Es war die letzte Einkaufsmöglichkeit für die nächsten X Kilometer. Frisches Brot, Schoggi, ein Joghurt, Äpfel und wieder ein Pack Teigwaren und ein Vanillebrötli waren die Ausbeute. Weiter ging es noch zum Bancomat und dann starteten wir definitiv in den heutigen Tag. Ich war wieder motiviert und hatte das zwischenzeitliche Tief von gestern vergessen.
Der Weg führte uns durch hügeliges Terrain, durch ausgedehnte Waldflächen und immer wieder ans Wasser. Verkehr gab es fast keinen auf dieser Strasse. So gondelten wir auf und ab, Kilometer um Kilometer immer weiter Richtung Norden, und Tritt um Tritt näher zum Ziel. Der Lysfjorden war der erste Fjord den wir wirklich umfahren mussten, das heisst du fährst einige Kilometer bis ans Ende des Fjordes und fährst auf der anderen Seite wieder zurück. Mental das eine Herausforderung, denn du hast den (Um)Weg immer im Blickfeld. Es wird nicht der letzte Fjord sein, ich weiss. Wir waren heute so flott unterwegs, dass wir in Holm bereits die frühere Fähre um 15.15 Uhr erwischten. Nach der 20 Minütigen Überfahrt sind wir auf der Halbinsel Somna gestrandet. Der Weg führte vorerst am Meer entlang bevor er anschliessend im Landesinneren weiter führte. Das Erstaunliche an dieser Insel, es hat viele Berge, zum Teil noch mit Schnee bedeckt, aber der Weg verlief sehr flach. Es waren keine Hügel da. Ich war verzückt. Dann kam doch tatsächlich eine Statoil Tankstelle und ich musste unbedingt einen Kaffee tanken. Hatte schliesslich schon lange keinen mehr.
Die Route verlief nun direkt am Meer, herrlich, idyllisch einfach schön. Vor mir im Meer war der 260 m hohe Torghatten, ein Berg mit einem riesengrossen Loch. Nach der Sage ist das Loch durch einen abgeschossenen Pfeil entstanden, der sein Ziel – einen Hut – durchbohrte und beim Auftreffen das Loch in den Fels schlug. Jetzt wollen uns die Norweger noch den Willhelm Tell wegnehmen, unverschämt. Oder war er tatsächlich auch in Norwegen unterwegs, mit dem Fahrrad oder mit klein Walterli, who know’s. Und dann geschah das Unglaubliche, ich traute meinen Augen nicht. Doch sie waren echt und standen auf einer Wiese 20 Meter neben mir. Zwei Elchkühe, es gibt sie als doch und nicht nur auf den Warnschildern am Strassenrand. Bis ich dann meinen Fotoapparat knippsbereit hatte, waren die beiden Damen schon bald wieder verschwunden. Was für eine Überraschung.
Kurz darauf erreichte ich mein Tagesziel, den Campingplatz in Skogmo. Ich stellte mein Zelt und richtete mich wieder ein. Es ist schon verrückt, mit der Zeit wird alles zur Routine, jeder Handgriff sitzt, jedes Ding hat sein Platz immer am selben Ort. So sind wir Menschen, alles Routiniers. Nachdem ich gestern Penne nature hatte, gabs heute Penne mit einer Tomaten-, Pilzsauce. Radlerfutter, morgen gibt’s dann zur Abwechslung Hörndli. Anschliessend hielte wir eine Teamsitzung ab, und wir besprachen die Etappe von Morgen. Die grosse Herausforderung wird sein, dass wir dreimal die Fähre nehmen müssen oder auch dürfen.
Erkenntnis des Tages: Wenn du einen Elch sehen willst, dann musst du nach Norwegen reisen.
5. Juli 2011 Skogmo - Nesna 106 km
Der heutige Tag begann schon sehr früh, um 2 Uhr erwachte ich, weil der Regen wild auf mein Zelt herunter prasselte. Es goss aus Kübeln, zum Glück war ja noch Zeit bis zur Tagwache. Ich bin dann um 6.15 Uhr aufgestanden und es schüttete immer noch, du lieber Schwan dachte ich mir. Im liebsten wäre ich einfach liegen geblieben, doch dafür war mir dann die Zeit zu schade. Also auf, anziehen, Morgen essen, Zähne putzen und zusammenpacken. Zum Glück hat Petrus ein Einsehen und hat seine Schleusen um 7 Uhr geschlossen, so dass ich wenigstens mein Zelt in der Trockenzeit abbrechen konnte. Wie vorgesehen fuhr ich um 7.45 Uhr in Skogmo ab mit dem ersten Ziel Horn, um dort mit der Fähre auf die nächste Insel zu übersetzen.
Ich war flott unterwegs und war 30 Minuten zu früh dort, lieber zu früh als zu spät. Die Fahrt mit der Fähre dauerte 20 Minuten und auf der anderen Seite war ich in Anndalsvag. Die Halbinsel Vevelstad besteht hauptsächlich aus Bergen, ausser an der Ostküste ist es etwas flach, da verläuft eine Strasse (17 km) und es hat einige Bauernhöfe und das ist es, der Rest Berge. Kein Wunder ist da fast kein Verkehr. Doch dann kam mir ein Tourenfahrer entgegen, und wir unterhielten uns eine Weile. Ein Brasilianer, er war bereits am Nordkap und fährt nun nach Trondheim und dann nach Bergen, nimmt aber zwischendurch wieder die Bahn oder den Bus. Seine Gamaschen waren aus Abfallsäcken und mit Klebeband eng geschnürt, denn mittlerweilen setzte der Nieselregen ein. Wir verabschiedeten uns und nach den 17 Kilometern war die Strasse zu Ende und die nächste Fähre brachte mich nach Tjotta. Die Reise dauerte diesmal eine Stunde. Diese Region ist gezeichnet von den Weltkriegen, da war ziemlich was los. Heute sieht man das an den verschiedenen Soldatenfriedhöfen und Denkmälern. So abgelegen, aber strategisch anscheinend doch wichtig.
Ich fuhr an einem Rastplatz vorbei, da winkten und riefen mir einige Leute zu. Ich stoppte und kehrte um, und unterhielt mich eine Weile mit einer norwegischen Radfahrergruppe, die hier in der Region Urlaub macht. Als ich wieder auf die Piste wollte, riefen mir vom hinteren Tisch zwei ältere Damen zu. Es waren zwei Schweizerinnen aus dem Zürcher Oberland und wir unterhielten uns ebenfalls miteinander. Das Spannende war, dass sie mich bereits kannten, denn sie haben vor einigen Tagen Motorradfahrer getroffen, die mit mir gesprochen hatten. Von diesem Crazy Swiss Biker haben sie dann den Damen erzählt. So funktioniert das Buschtelefon in Norwegen. Die Fahrt ging dann trotzdem weiter und es machte den Anschein, als ob ich meine letzte Fähre nicht pünktlich kriegen würde. Also etwas Kohle in den Ofen werfen und voll Dampf voraus. Nach 10 Minuten kam dann wieder ein Kleiderwechsel, weil es nun begann zu regnen, und kurz vor Sandnessjoen begann es dann sogar zu schütten. Somit war klar, dass ich dort nicht anhalten musste, und gleich weiter zog. Glücklicherweise schaute 20 Minuten später bereits wieder die Sonne hinter den Wolken hervor.
Die Berge hier sind zwar Meter mässig nicht hoch, aber trotzdem sehr eindrücklich wie sie zum Wasser hinaus ragen und sich stolz präsentieren. Meine Route führte an einer schönen Bergkette „Die sieben Schwestern“ vorbei, doch leider sah ich sie nicht. Sie haben sich hinter der Nebelwand versteckt, wahrscheinlich waren sie beim Shopping. Die heutige Tour verlief eher flach, doch am Schluss schlängelte sich der Weg nochmals durch die Berge ans Ufer zur nächsten Fähre. Ich hatte Glück und konnte meinen Zeitplan einhalten und bin auf der anderen Uferseite in Nesna zum Camping gegangen. Das liegt ja wunderschön, direkt am Meer in Mitten der eindrücklichen Bergwelt. Sehr schön. Zum Nachtessen legte ich mich heute voll ins Zeug. Als Vorspeise gab es zwei Spiegeleier und zum Hauptgang Hörndli mit Tomatensauce. So langsam freue ich mich nun aber bald wieder auf ein Stück Fleisch, und es muss nicht zwingend ein Lamm sein. Morgen geht die Fahrt weiter an der Küste. Vor lauter Fähren und Fahrplänen weiss ich noch nicht genau wo ich am besten durchfahren soll. We will see.
Erkenntnis des Tages: Die beste Bildung findet ein Mensch auf Reisen.
6. Juli 2011 Nesna - Foroy 119 km
Ein wunderschöner Tag erwartete mich heute, die Sonne strahlte bereits übers Meer, herrlich. Im nu war alles zusammengepackt und beladen und die Fahrt konnte um 8.30 Uhr starten. Im ersten Teil dieser Etappe musste ich den Sjona-Fjord umfahren, das waren immerhin 60 km, um schlussendlich 5 km weiter nördlich zu sein. Kurz nach Nesna waren ganz viele Muscheln auf der Strasse. Wie kamen die dahin? Die Vögel haben die im Meer geholt und auf der Strasse gegessen. Spannend. Es hat extrem viele verschiedene und schöne Vögel hier, das ist sogar mir aufgefallen. Natürlich nebst allen schrägen Vögeln auf der Piste.
350 Meter sind nicht viel, oder? Wenn es aber Höhenmeter sind, ist das harte Arbeit. Kurz nach dem Start begann der Aufstieg und ich fand den Rhythmus sehr schnell und fuhr langsam hoch. Wenn da nur nicht diese Fliegen gewesen wären. Ich hatte etwa 100 Fliegen um mich herum und konnte mich nicht wehren, weil ich mit dem Aufstieg beschäftigt war. Wahrscheinlich habe ich schon so gerochen wie ein „Chuepläder“, weil an dem hätte es nicht mehr Fliegen gehabt. Die beiden Zürcher Damen überholten mich hupend und winkend. Oben auf dem Aussichtspunkt, entfloh ich den Fliegen und genoss die Aussicht über den Fjord, auf der anderen Seite war schon mein Rückweg zu sehen. Schön. Die beiden Zürcherinnen waren ebenfalls dort und erklärten mir, wo welche Insel ist und so. Beide sind schon zum x-ten Mal in Norwegen.
Das Wetter wurde immer besser und bald war nur noch die Sonne am Himmel zu sehen. Heute habe ich das Norwegen gesehen, wie ich es mir vorgestellt habe. Sonne, gewaltige Berge, Fjorde und das Meer. Es machte mir auch nichts aus den Umweg zu machen, bei diesem schönen Wetter und dieser Naturpracht. Ich genoss es in vollen Zügen und war very happy. Ich war so gut in der Zeit, dass ich mir nach dem Mittagessen vornahm, eine Fähre früher in Kilboghamn zu nehmen. Aber dazu musste ich etwas auf die Tube drücken. Es lief alles optimal, doch kurz vor dem Ziel kam ein extremer Anstieg. War nun doch alles für die Katze? Ich habe nochmals auf die Zähne gebiessen und genoss anschliessend die Abfahrt. Und dann kam nochmals ein kurzer aber intensiver Aufstieg, das wars doch oder. Nein, und noch eine Steilrampe und die Zeit lief mir langsam davon. Doch die Schlussabfahrt führte gleich aufs Schiff, das ich gerade noch erreichte. Die Fahrt mit der Fähre dauerte eine Stunde und ich genoss sie, es ging durch die Bergwelt, faszinierend. Norwegen wie man es aus dem Prospekt kennt. Nach rund der Hälfte der Fahrt haben wir den Polarkreis überquert, schon wieder ein Meilenstein erreicht. Ich war sehr zufrieden und total glücklich.
Die nächste Insel Rodoy war der Hammer. Ein Bergpanorama, wie bei uns in der Schweiz. Es war wirklich sehr beeindruckend, und mitten durch diese Berge sind wir gerauscht. Im Hintergrund war der grosse Gletscher Svart-Vestisen zu erkennen. Vor lauter herumschlendern musste ich mich nun plötzlich beeilen, um meine Fähre zu erwischen. Ich hatte wieder ein dejà vu. Kurz vor dem Ziel, wieder diese Aufstiege. Mit letztem und vollem Einsatz habe ich aber auch diese Hügel gefressen und bin sogar 5 Minuten zu früh auf der Fähre gewesen. Die letzte Überfahrt dauerte nur 10 Minuten nach Foroy und dort ging ich dann wie geplant zum Camping. Nach der Velofahrt geht das jeweils so: Platz aussuchen, abladen, Zelt aufstellen, Zelt einräumen, Velo putzen und ölen, duschen, waschen, Wäsche aufhängen, trocknen lassen, Nachtessen kochen, essen, abwaschen, herum lümmeln und geniessen bevor es dann in den Schlafsack geht. Ihr seht, da ist einiges los nach der Tour. Für Morgen musste ich meine Tour dem Fahrplan der Fähre anpassen. Die Abfahrt wird erst gegen 11 Uhr sein, weil die einzige Fähre um 14 Uhr fährt. Werde somit spät am Etappenziel ankommen und anschliessend wieder früh am nächsten Tag auf die einzige Fähre um 6.45 Uhr nach Bodo fahren und anschliessend umsteigen, um mit einem anderen Schiff auf die Lofoten zu übersetzen. Diesen Ruhetag werde ich dann auf dem Meer verbringen. Ich freue mich auf die Lofoten und die Wale.
Erkenntnis des Tages: Never give up.
7. Juli 2011 Foroy - Vag 94 km
Heute wollte ich ausschlafen, doch ich bin schon um 8 Uhr erwacht und somit auch aufgestanden. Die Sonne lachte vom Himmel, es war eine wahre Freude. Da die einzige Fähre von Vassdalsvik nach Ornes um 14.25 Uhr fährt, musste ich mich entsprechend anpassen. So hatte ich genügend Zeit ein schönes Frühstück zu geniessen. Es gab Tee, Frischbackmutschli, Eier und Schinken. Nicht schlecht für ein Velocamper Frühstück. Gestern hatte es während 120 km keine Einkaufsmöglichkeit an der Route und der Camping hatte ausser Frischbackmutschli auch nichts zu bieten. So ist man gezwungen mit dem auszukommen, wo einem zur Verfügung steht. Auf so einer Reise lernt man einfach zu leben und man merkt, dass nicht alles selbstverständlich ist. Ich genoss die Sonne und den Vormittag mit nichts machen. Um 11.30 Uhr bin ich dann los gedüst nach Vassdalsvik. Als erstes musste ich wieder einen Fjord umfahren, diesmal waren es aber nur noch 25 km. Kurz vor der Fährstation habe ich in einem Coop, den gibt es also in Norwegen auch, eingekauft. Schoggi, Brot, Spaghetti, Sauce und ein Joghurt. Alles was man braucht als Radfahrer. Hinter mir quatschte mich dann plötzlich ein Schweizer an und wir kamen ins Gespräch.
John Egger (Heimatort Kerns) aus Bern und sein Freund Noldi aus Luzern sind ebenfalls mit dem Fahrrad und dem Zelt unterwegs. Beide sind pensionierte Ärzte und waren Ende Mai mit ihren Frauen in Berlin gestartet mit dem Ziel Kopenhagen. Dort haben sich die Frauen verabschiedet und für die beiden Männer ging die Reise hier in Norwegen weiter. Nach der Überfahrt mit der Fähre haben wir noch über unsere Routen diskutiert, und die beiden Herren haben sich dann entschlossen, denselben Weg einzuschlagen wie ich. Da die beiden einen Zacken schneller unterwegs waren als ich, sind wir getrennt gefahren. Im Ausdauersport wird die Leistung immer besser, je älter man wird, das ist so.
Das Panorama und die Natur war wieder ein Traum. Das Wasser vom Meer war fast grün, aber leider auch ziemlich kalt. Es ist wirklich sehr schön hier sein zu können. Irgendwo in der Pampas stand ein Kiosk und eigentlich wollte ich nur eine Cola holen, doch dann sah ich sie, und ich konnte nicht mehr widerstehen. Eine Cremeschnitte, die war suuuuuuper und ich genoss sie. Da draussen eine Cremeschnitte zu essen ist Luxus und nicht einfach selbstverständlich. Meine beiden Kollegen machten ebenfalls bei diesem Kiosk Halt und konnten auch nicht widerstehen. Um 19 Uhr fuhr die letzte Fähre von Sund nach Horsdal und von dort waren es noch 5 km bis zum Camping in Vag. Es hat hier eine Wiese auf der man Campieren kann, nebenan ist ein Spar Supermarkt und der Hafen. Ideal gelegen, denn wir müssen morgen um 6.30 Uhr die Fähre nach Bodo nehmen. Fürs Nachtessen machten wir heute eine Gemeinschaftsküche und Noldi übernahm das Kochämtli. Pasta an einer Parmasauce, mit Schinken und Käse und dazu gab es Tomatensalat. Wir haben zu Dritt acht Portionen gegessen, dies war so auf der Packung vermerkt. Wir haben alles schön ausgegessen und es war auch sehr lecker. Wir genossen einen schönen und gemütlichen Abend. Es ist auch schön zwischendurch nicht alleine unterwegs zu sein.
Am Freitag ist Reisetag, um 6.30 Uhr fahren wir von Vag mit der Fähre nach Bodo, dort werde ich mich dann von Noldi und John verabschieden müssen, denn mein Boot auf die Lofoten legt um 10.15 Uhr ab. So werde ich am frühen Nachmittag auf den Lofoten sein und schon einige Kilometer fahren. Ich musste wieder wegen den Fähren die Route für nächste Woche leicht anpassen. Zum Glück bin ich flexibel.
Erkenntnis des Tages: Alles im Leben hat Vor- und Nachteile.
8. Juli 2011 Vag - Leknes 65 km
Um 5.30 Uhr klingelte bereits der Wecker und es war Tagwache. Noldi und John waren bereits wach und wir begannen mit dem zusammenräumen. Der Himmel war sehr stark mit Wolken bedeckt und die Sonne war nicht zu sehen. Pünktlich um 6.30 Uhr legte das Schnellboot in Vag an und wir konnten mit unseren Fahrrädern einsteigen. Die Fahrt nach Bodo dauerte etwa eine halbe Stunde, die wir auf dem Deck verbrachten. Eine wunderschöne Stimmung, überall Berge die aus dem Meer ragten, zum Teil noch mit Schnee bedeckt. Der Wind streifte durch unsere Haare, okay bei mir durch die Barthaare. Die Einfahrt nach Bodo selber war dann nicht so spektakulär. Bodo ist zwar die Hauptstadt des Bezirks Nordland aber bietet touristisch nicht sehr viel Interessantes. Die Hauptattraktion ist das Naturschauspiel Saltstraumen. Dabei handelt es sich um eine gewaltige durch die Gezeiten verursachte Meeresströmung.
Wir waren somit um 7 Uhr in Bodo und wollten nun einen Kaffee trinken. Aber alle Kaffees waren noch geschlossen und öffnen erst um 10 Uhr. Das geht ja wohl nicht. Schlau wie wir sind, sind wir ins Radisson Hotel gegangen und haben mit den Hotelgästen und neben dem Frühstückbuffet einen super feinen Kaffee genossen. Einen Nespresso, ich fühlte mich schon fast wieder im Geschäft, aber nur für einen ganz kurzen Moment. Sonst gibt es hier immer diesen Kaffee aus den Krügen, die meistens schon ewig herumstehen. Es war wirklich ein Genuss. Danke. Um 9 Uhr machten wir uns auf zur Tourismusinfo, denn Noldi und John wollten den Saltstraumen, der rund 30 km ausserhalb Bodo liegt besichtigen. So trennten sich unsere Wege wieder nach einem Tag Schweizer Radfahrerverbindung. Es war super mit den beiden pensionierten Ärzten und ich habe es genossen, aber nun geht der Weg wieder alleine weiter. So habe ich um 10.15 Uhr das Boot auf die Lofoten nach Moskenes genommen. Die Überfahrt dauerte etwas mehr als drei Stunden. Als Radfahrer darfst du auf solchen Fähren immer zuerst einsteigen und so konnte ich mir einen schönen Platz zum Sitzen aussuchen. Es war ein herrliches Schauspiel mit anzusehen, wie sich die Leute platzierten. Jeder und jede wollte den besten Platz, da war das Rettungsboot, das die Sicht nach draussen versperrte, da war ein Fenster schmutzig, so ging es hin und her. Die lieben Leute haben sogar im Urlaub noch einen Stress und ein Gehetze. Ich hoffe ihr nehmt das ruhiger und gelassener, wenn ihr in den Ferien seid.
Die Zeit verging wie im Fluge und schon waren wir in Moskenes. In Bodo hat es noch leicht geregnet und auf den Lofoten strahlender Sonnenschein und blauer Himmel. Wieder festen Boden unter den Füssen, habe ich mein Renndress angezogen, Sonnencreme eingeschmiert und Sonnenbrille aufgesetzt, und los gings. Schon nach den ersten Kurven folgte das Städtchen Reine und das sah aus wie im Bilderbuch. Einfach malerisch gelegen am Meer, im Hintergrund die spitzigen und imposanten Berge, das Wasser war so klar, dass es grün erschien. Einfach nur schön und zum geniessen. Die Fischerboote, die roten Häuser es hat mir richtig gehend den Ärmel reingezogen. Ich war hin und weg. Der Weg nach Norden führte über viele Brücken, Hügel und immer zwischen Bergen und Meer entlang. Hier hat der Fischfang eine wichtige Bedeutung. Überall hat es Aufzuchtbecken im Meer oder die Fische hängen zum Trocknen an der frischen Luft. Kurz vor meinem Etappenziel Leknes verschwand die Strasse in einen Tunnel der unter dem Meer hindurch führte. Das ist schön aber extrem anstrengend, denn zuerst geht es steil nach unten, und dann hüper mega steil wieder nach oben! In Leknes suchte ich den Camping (gemäss meinem Prospekte sollte es einen haben) den es gar nicht gibt. Super Schmidy, der nächste Camping liegt 15 km entfernt von hier und es ist bereits 19 Uhr und ich bin um 5.30 Uhr aufgestanden. Also musste ich mir nach einer Woche Camping wieder einmal ein Hotel nehmen. Zum Glück hatte es eines, ist auch nicht selbstverständlich. Da ich bereits schon alles eingekauft hatte für das Nachtessen, habe ich ausnahmsweise im Hotelzimmer campiert und gekocht. Als Vorspeise gab es Eierbrötli, dann ein Pouletbrüstli und zum Hauptgang Spaghetti Bolognaise. Und wie immer hat es hervorragend geschmeckt. Nur die richtige Camping Atmosphäre ist schon viel schöner und gediegener, ich habe ja noch einige Male die Gelegenheit dazu.
Erkenntnis des Tages: Du kannst dich nicht immer auf alle Prospekte und Führer verlassen.
9. Juli 2011 Leknes - Melbu 104 km
Diese Nacht habe ich wunderbar geschlafen. Liegt das am Hotelbett oder daran, dass ich gestern sehr früh auf musste, wahrscheinlich an beidem. So ein gediegenes Frühstücksbuffet ist schon etwas feines, das geht beim Camping etwas verloren. Wie gesagt, es hat immer alles Vor- und Nachteile im Leben. Gut gestärkt, ausgeschlafen und mit viel Sonnenschein starteten wir um 9.15 Uhr in den heutigen Tag. Vielleicht wiederhole ich mich, aber sobald ich auf dem Sattel sitze, beginnt für mich die Ruhezeit. Es ist extrem schön und erholsam auf Tour zu sein, all die Naturschauspiele und das sonstige Treiben zu beobachten und wirken zu lassen. Das tönt eigentlich unverständlich, ist doch gerade das Radfahren der körperliche anstrengende Teil meines Projekts, aber ich empfinde das ganz anders. Ich fahre sehr gemütlich, probiere immer im Rhythmus zu finden und fahre vor allem in den kleinen Gängen. Dies hat zur Folge, dass ich eine hohe Trittfrequenz habe und vom Gefühl her die Muskeln nicht so stark strapazieren muss. Meine Beine sind in super Form, seit Tagen läuft es wie geschmiert. Wahrscheinlich sind sie sich nun an den Rhythmus gewöhnt und jeder Tag ist wieder ein zusätzliches Training.
Die Landschaft veränderte sich nun, nach den Spitzbergen und der Fahrt am Meer entlang, verlief nun die Strecke durchs Hinterland weiter und die Berge waren nicht mehr so imposant. Aber es war wieder einmal flach ohne auf und ab, was ich sehr genoss. Nach 47 km bei Kleppstad durfte ich meinen 4000. Kilometer feiern. Das machte ich an einem schönen Rastplatz, am Meer natürlich und mit viel Sonne im Gesicht. Ich genoss es und wusste gar nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder ob ich eher traurig bin, dass die Reise bald zu Ende ist. Natürlich habe ich mich gefreut, schliesslich will man sein Ziel erreichen und dann wieder zurück nach Hause zur Familie und allen Freunden und Bekannten. Meine Familie fehlt mir schon sehr auf diesem Trip, darum freue ich mich, wenn das Ziel erreicht ist. Dafür muss ich allerdings noch hart arbeiten, und ich werde die letzten 1000 Kilometer nochmals richtig geniessen. Nach rund 60 km bei Svolvaer änderte sich die Landschaft wieder, die Berge wurden wieder grösser und die Route verlief wieder am Meer und an Fjorden entlang. Es war wieder sehr schön, aber nicht mehr gleich wie gestern. Dunkle Wolken zogen auf und es roch nach Regen. Dieser kam dann auch, als ich in Fiskebol auf die Fähre wartete. Gut gegangen. Ich überlegte mir was ich nun will. Auf der anderen Seite in Melbu in ein Motel zu gehen oder noch 16 km zu fahren und in den Camping zu gehen. Das Wetter hat mir den Entscheid abgenommen.
So bin ich nach der Überfahrt in Melbu ins Motel und habe meine sieben Sachen abgeladen. Anschliessend ging ich noch in den Coop und wollte mir eine Cola und ein Bier kaufen. Das funktionierte dann aber nur zur Hälfte. Das Bier musste ich dort lassen, nicht weil ich noch nicht volljährig bin, nein die dürfen ab 18 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen! Komisches Gesetz, und das Bier blieb dort, schade. Der heutige Tag verlief unspektakulär und ohne bewegende Kontakte. Mein Bart gedeiht übrigens recht gut, aber für den Samichlais reicht es noch lange nicht, und ein Zöpfli kann ich auch noch nicht machen. Morgen geht es bereits wieder raus aus den Lofoten nach Harstad in die Kommune Troms, wo ich dann am Montag früh die Fähre nach Engenes nehmen werde. Die fährt nur drei Mal in der Woche!
Erkenntnis des Tages: Unsere Aufgabe ist es das zu werden, was wir sind.
10. Juli 2011 Melbu - Harstad 111 km
Diese Nacht habe ich nicht so gut geschlafen und bin ständig ab diesen doofen Möwen erwacht. Die schreien in der Weltgeschichte herum, es ist furchtbar zum zuhören. So laute und hohe Töne, und die dummen Viecher hören nicht mehr auf damit. Zum Glück hatte ich keine Schrotflinte im Zimmer, sonst wäre ich wohl zum Jäger geworden. Der Wecker musste mich aber trotzdem um 7.30 Uhr wecken, sonst hätte ich noch verschlafen. Das Frühstücksbuffet war heute etwas enttäuschend, aber ich konnte mich trotzdem für den heutigen Tag stärken. Als ich startklar war, hat mich noch ein Italiener angesprochen. Er konnte etwa so gut englisch wie ich italienisch kann. So haben wir uns einen kurzen Moment auf Italienisch unterhalten. Es war sehr lustig, und ich glaube wir haben uns irgendwie verstanden. Auf jeden Fall war er begeistert von mir und meinem Vorhaben und schüttelte ungläubig den Kopf.
Der Himmel war blauer als blau, die Sonne schien und ein kalter Wind blies uns um die Ohren. Ein wunderbarer Tag, es kam mir vor wie ein schöner Herbsttag bei uns in der Schweiz. Die ersten 50 km verliefen flach dem Meer entlang und es rollte hervorragend, nur der Wind erschwerte die Fahrt zwischenzeitlich. So war das erste Tagesziel Sortland schon bald erreicht und die Fahrt konnte nach der Überquerung einer grossen Brücke auf der nächsten Insel weiter gehen. Hier gibt es viele Tunnels die man durchqueren muss. Zum Glück waren bisher alle beleuchtet, aber es ist immer ein komisches Gefühl, und ich hoffe, dass mich alle sehen. Ich trage während den Tunnelfahrten immer eine gelbe Leuchtweste, so sollten mich auch wirklich alle sehen. In den Tunnels ist es übrigens arschkalt und es tropft ständig wie in einer Tropfsteinhöhle, unsere Tunnels in der Schweiz sind dagegen ein wahrer Luxus. Ich habe bisher sicher schon 20 km in solchen Röhren verbracht und es werden noch einige Kilometer dazu kommen. Das Gelände wurde nun etwas hügeliger und ich erreichte den Bezirk Troms, somit habe ich die Lofoten vollständig durchfahren. Bye Bye Lofoten.
Die Fähre brachte mich anschliessend von Flesnes nach Revsnes und schon wieder war ein Fjord überquert. Auf der anderen Seite nahm ich dann die letzten 35 km in Angriff. Die Route führte wieder am Fjord entlang und wurde noch etwas hügeliger. Das macht mir mittlerweilen nichts mehr aus, da ich es mir schon gewohnt bin. Heute habe ich herausgefunden, dass meine Vorfahren aus Skandinavien stammen müssen. Die Ortschaften hier enden sehr oft mit stad, Harstad, Kleppstad, Bostad, Halmstad, AMSTAD. Also Amstad stammt nicht aus Beckenried sondern aus Skandinavien. Hier müssen sie keine Villenzonen machen, die haben genügend Platz am Meer und du könntest dort ein hübsches Häuschen bauen, mit Meerblick. Deine Ruhe hast du auch, der einzige Nachteil ist, du bist etwas abseits von der Peripherie. Kurz vor meinem Tagesziel Harstad gings dann nochmals bergauf und der Himmel war sehr schnell mit schwarzen Wolken überzogen. Es war nun auch bitter kalt wegen dem Wind. Ich glaube wenn es begonnen hätte zu regnen, hätte es gleich geschneit. So bin nach Harstad hinunter gedüst und habe mir gleich beim Hafen ein Hotel genommen. Man gewöhnt sich sehr schnell wieder an den Luxus, und schliesslich muss ich heute noch den 4000er feiern. Das habe ich dann auch gemacht mit einem feinen Rindsfilet und dem gestern verwehrten Bier. Beim Essen fragen die nicht was für eine Beilage du möchtest, die fragen wie möchtest du die Kartoffeln! Nudeln gibt es nur im Kindermenu. Das zum Thema Essen in Skandinavien. Es war aber sehr fein und ich genoss den Moment. Morgen geht es bereits um 6.25 Uhr auf die Fähre nach Engenes, die nur drei Mal wöchentlich verkehrt. An dieser Verbindung hat sehr viel gehangen und ich bin sehr froh, dass dies nun so klappt.
Erkenntnis des Tages: Wer sich heute freuen kann, sollte nicht bis morgen warten!
11. Juli 2011 Harstad - Bardufoss 110 km
Heute war sehr früh Tagwache, denn das Schnellboot nach Engenes fährt um 6.25 Uhr. So bin ich ohne mich nochmals umzudrehen um 5.15 Uhr aufgestanden und habe mich bereit gemacht. Alles beladen und mit einem Lunchpaket vom Hotel ausgerüstet, machten wir uns auf den Weg zum Hafen. Es regnete und es war kalt, aber gemäss dem Portier regnet es schon seit einer Woche hier in Harstad. Schön für die, die hier sind, zum Glück gehe ich. Ich war bereits um 6.05 Uhr vor dem Schnellboot, da sieht man wie wichtig mir dieser Termin war. Denn während Jahren als in Luzern arbeitete, musste ich regelmässig auf den Zug springen, weil ich so ein gutes Pünktlichkeitsgefühl habe. Ich war der einzige Passagier an diesem trüben Montagmorgen. Während der Fahrt verdrückte ich meine Lunchbox. Aussicht hatte ich keine, weil alles im Nebel verhangen war, nur der Wellengang war relativ hoch. Mein Magen hatte schon etwas Mühe, aber zum Glück dauerte die Fahrt nur 30 Minuten, dann hiess es aussteigen. Wir mussten auf dem Oberdeck aussteigen, das bedeutete ich musste mit meinem Fahrrad eine Treppe hoch klettern. Zum Glück hat mir der Matrose geholfen, sonst wäre ich wohl immer noch auf dem Boot.
Nun war ich auf der Insel Andorja und die Fahrt konnte los gehen. Es war wirklich sehr trüb, es regnete leicht und es war kalt. Wir mussten nun dem Meer entlang die Insel umfahren, damit wir auf die nächste Insel kommen. Bildlich hat das etwa so ausgesehen, oben grau, unten grau, rechts blau und links grün. Und völlig in der Langeweile war ich urplötzlich voll da. Ich glaube es nicht, ich habe den Ort meiner Vorfahren gefunden. Es gibt da auf dieser trostlosen Insel eine Ortschaft namens Anstad. Das ist doch der Beweis, dass Amstad ein Wikingergeschlecht ist, oder etwa nicht? Mit einem Schmunzeln auf den Lippen kurvten wir weiter um die Insel, die uns nun alles abverlangte. Die Aufstiege waren nicht lang, aber steil. Dann musste ich wieder einmal einen Routenentscheid treffen. Die Route die mein Radführer vorschlägt verläuft weiterhin irgendwo im Niemandsland aber ohne Verkehr. Als Alternative könnte ich 30 km quer fahren und anschliessend die verkehrsreiche E6 nach Bardufoss nehmen. Vorteil, es hat an dieser Route sicher Einkaufsmöglichkeiten und Tankstellenshops zum Kaffee trinken und aufwärmen, was bei diesem Wetter nicht unerheblich ist. Somit war der Entscheid schnell getroffen.
Schon bald kam der erste Laden, der gleich gestürmt wurde. Ein Vanillebörtli, eine Cola und Haferkekse mit Schoggiüberzug wurden verschlungen. Ich habe diese Haferkekse sowas von gern, es gibt sie mit oder ohne Schoggi, und an harten Tagen schenke ich mir jeweils die Schoggi Ausgabe. Schon bald kam auch der erste Tankstellenshop, wo ich mir eine heisse Schokolade und Sjoko Bøller (Schoggibrötli) kaufte. Ich bin heute schon so lange auf den Beinen und esse bereits zum x-ten Mal und weiss gar nicht mehr, ob ich jetzt schon drei Mal gefrühstückt habe oder vielleicht zwei Mal das Mittagessen verschlungen habe. The Fressmachine lief heute auf jeden Fall auf Hochtouren. Die norwegische Wirtschaft wird’s freuen. Ein Jubelschrei tönte durch Setermoen, als ich kurz meine e-Mails abrief. Ich habe soeben die Bestätigung erhalten, dass ich eine Kabine auf der Hurtigruten von Honingsvag nach Bergen habe. Wie habe ich mir das gewünscht, und nun geht der Traum in Erfüllung. Voller Glücksgefühle schwebte ich die letzten 30 km nach Bardufoss, wo ich ein Hotelzimmer gebucht habe.
Müde und etwas ausgepowert aber mega glücklich bin ich am heutigen Tagesziel angekommen. Morgen gibt es nochmals eine lange und strenge Etappe nach Tromsø. Den Umweg nach Tromsø nehme ich gerne auf mich, denn ich freue mich auf diese Stadt und gönne mir nochmals einen Ruhetag, bevor der letzte Teil in Angriff genommen wird.
Erkenntnis des Tages: Amstad sind Wikinger!
12. Juli 2011 Bardufoss - Tromsø 136 km
Im Bewusstsein, dass es heute ein langer und strenger Tag wird, bin ich gestern bereits um 22 Uhr ins Bett gehuscht. Vorher habe ich nochmals meinen Kohlenhydratspeicher mit Spaghetti gefüllt und die Beine massiert, so dass ich bestens vorbereitet war. Um 6.45 Uhr bin ich fit und ausgeschlafen aufgestanden und habe mich bereit gemacht. Im Frühstücksraum waren lauter deutsche Soldaten, es war eine Fliegertruppe, denn in Bardufoss gibt es einen NATO Truppenübungsplatz. Ich war erstaunt, dass die in so einem verkümmerten Hotel logieren. Die Dusche war so klein, resp. die Vorhangschiene war so eng gezogen, dass der Vorhang dauernd am Rücken klebte. Ich glaube, nicht einmal ein Äthiopier hätte unter dieser Dusche genügend Platz gehabt.
Die Reise ging um 8.30 Uhr weiter mit dem heutigen Tagesziel Tromsø. Es war wieder sehr frisch, aber vorerst trocken. Bardufoss liegt auf einer Hochebene zwischen den Bergen, die man wegen dem Nebel gar nicht sah, so führte der Weg während den ersten 60 km durch Wälder und Berge. Es ging dauernd etwas Bergauf und zwischendurch regnete es mal mehr oder weniger, aber die Kälte blieb. Auf 250 Meter hatte ich die Passhöhe erreicht und dort machte ich eine Pause. Es gab da einen Rastplatz und drei Samizelte. Die Samen sind die einheimischen Rentierzüchter in Lappland. In diesen Zelten wurden Produkte wie Fleisch, Rentierfelle und Touristenzeugs verkauft. In der Mitte war das Kaffeezelt und genau dort liess ich mich am offenen Feuer nieder und trank eine heisse Tasse Kaffee. Es war eine schöne Atmosphäre und sehr gemütlich und natürlich kuschelig warm. Leider musste ich wieder weiter und kaufte mir zum Trost eine Rentierwurst. Brauche ja noch Proviant für die nächsten Etappen. So sind wir aus den Bergen hinaus gefahren und sind wieder auf einen Fjord gestossen. Dieser musste gleich wieder umfahren werden. In solchen Situationen darfst du nie denken, ach Gott ich muss darüber, so eine Sch…. Einfach fahren und wenn du auf der anderen Seite bist, kannst du rüber schauen und denken, wow vor einer halben Stunden war ich noch auf der anderen Seite. Alles nur Kopfsache!
Am Wendepunkt dieses Fjordes in Nordkjosbotn machte ich heute wieder einmal bei Statoil Mittagspause. Zuerst holte ich mir eine heisse Schoggi und nach dem Essen noch einen Kaffee. Ab sofort bin ich nun auch stolzer Besitzer eines Statoil Kaffeebechers, den ich jetzt an jeder Tankstelle einsetzen kann. Wow, ich bin schon ein halber Einheimischer. Nach dem Picknick ging die Fahrt weiter, mittlerweilen war es trocken aber immer noch kalt, und es lagen noch lange 70 km vor uns. Der Weg führte am Meer entlang Richtung Norden. Es war wirklich Schade, dass der Nebel in den Bergen hing, denn es hat hier schöne und grosse Berge, die alle noch mit Schnee bedeckt sind. Dann machte die Strasse wieder einen Knick und führte für rund 30 km durch eine Hochebene zwischen den Bergen hindurch. Es war nun links und rechts grün, oben und unten grau. Es wurde sogar noch kälter und ich musste mir wieder einmal die Winterhandschuhe und die Wintermütze anziehen. Meine Kleidertasche war schon fast leer, weil so viel Sachen an hatte. Brrrrr es war wirklich bitter kalt. Das hat natürlich auch viele Vorteile, so bleibt man frisch und knackig, und der Butter in meiner Fressbox ist wieder hart geworden.
Die Einfahrt nach Tromsø war hartnäckig und mühsam. Einige Steigungen, der kalte Wind blies mir ins Gesicht, und in Gedanken war ich schon lange unter der warmen Dusche. Aber irgendwann bin ich dann zufrieden im Hotel angekommen. Temperatur 9 Grad, das ist durchschnittlich hier, beträgt doch die Durchschnittstemperatur im Juli 11.8 Grad. Nach der warmen und verdienten Dusche genoss ich in der Stadt ein gutes Stück Fleisch mit Gemüse und ?, genau Kartoffeln. Morgen gönne ich mir den längst fälligen Ruhetag und werde die Stadt besichtigen, sowie die restlichen Tage meiner Tour planen. Natürlich werde ich alle Akkus nochmals voll laden!
Erkenntnis des Tages: 9 Grad ist im Juli Durchschnitt in Tromsø.
3. Juli 2011 Ruhetag in Tromsø
Heute war der letzte Ruhetag und ich genoss das nichts tun, obwohl es mir komisch vorkam. Das wird sich ab morgen wieder ändern, wenn die Tour in die Schlussphase geht. Auf jeden Fall habe ich heute ausgeschlafen, respektive ich bin um 8.30 Uhr erwacht und aufgestanden. Das Frühstück war fantastisch und ich habe wieder voll zugeschlagen, als ob ich heute 100 km abstrampeln würde. Das mit dem Essen muss ich zu Hause wieder einigermassen regulieren, sonst kommt das nicht gut.
Das Wetter hier ist immer noch durchschnittlich, mit 9 Grad und Regen war es nicht so freundlich, wie man sich das erwünscht. Somit machte ich zuerst die Etappenvorbereitungen für die nächsten Tage und habe meine Rückreise organisiert. Anschliessend gab es doch tatsächlich ein trockenes Wetterfenster, das ich sofort ausnützte und in die City rauschte. Tromsø ist die Eismeerstadt und ist zugleich die nördlichste Universitätsstadt der Welt. Die Stadt am Eismeer war Ausgangspunkt fast aller Fischfahrten in das Polarmeer und spielt eine wichtige Rolle in der Polarforschung. Unter anderem haben hier Nansen und Amundsen ihre Expeditionen gestartet. Schön wie ich das gelernt habe, oder? Was macht man wenn es regnet, genau ich bin ins Polarmuseum gegangen. Es war sehr interessant, all die Sachen über die Robbenjäger, Walfänger, Expeditionen und so zu erfahren. Weiter ging meine Stadtrundfahrt über die ein Kilometer lange Brücke über den Fjord zur Stadt hinaus. Denn dort steht die eindrückliche und ihrer Form spezielle aber sehr schöne Eismeerkathedrale. Mit ihrer speziellen Art ist die Kirche sehr auffallend und ein Wahrzeichen der Stadt. Der Weg führte anschliessend wieder zurück über die Brücke und in die Stadt. Es hat schöne alte Holzhäuser, die einem an den Wilden Westen erinnern. Leider haben sich auch heute die Berge nicht gezeigt, weil der Nebel sie schön umhüllte. Ich komme ja nochmals mit der Hurtigrute nach Tromsø und wer weiss, vielleicht ist dann das Wetter überdurchschnittlich.
Ruhetag ist immer auch Einkaufstag und so habe ich reichlich eingekauft für die nächsten Tage. Die Städte werden ja immer kleiner und man weiss nie, wo der nächste Laden steht. Vorsorglich habe ich da mal genug eingekauft! Gut meine Notrationen Jägergulasch, Risotto und Vanillepudding habe ich immer noch bei mir, für den Notfall! Die Spannung steigt immer mehr und ich werde sogar etwas ungeduldig. Das Ziel rückt immer näher und ich bin bereit für die letzten Etappen, die mich wieder in die Berge führen werden. Wichtig ist es nun, wieder jeden Tag als Ziel zu nehmen und nicht ständig ans Ende zu denken. Step by step, ruhig und gelassen dem grossen Ziel entgegen.
Zum Schluss noch etwas in eigener Sache. Liebe Freunde, leider kann ich während dem radeln nicht gut Karten schreiben und davor und danach habe ich fast keine Zeit dazu. Ihr verzeiht mir, wenn ich keine Karten verschicke und hoffe ihr hattet Spass mit meinem Bolg. In diesem Sinne liebe Grüsse an alle, es geht mir blendend und ich freue mich euch alle bald wieder persönlich zu sehen.
Christoph
Erkenntnis des Tages: Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.
14. Juli 2011 Tromsø - Storslett 120 km
Sieben Uhr, Schweizer Radio DRS, Nachrichten, so tönt es jeweils zu Hause am Morgen und hier klingelt einfach nur das Natel. Der Rest bleibt gleich, aufstehen, anziehen und Morgenessen. Das Frühstücksbuffet hier im Thon Hotel ist wirklich erste Klasse. Ich habe mir in den Hotels so eine Taktik angeeignet! Ich nehme immer einen Tisch, der gleich beim Buffet ist. Erstens kannst du alle beobachten die da kommen und was die alles aufladen, und zweitens ist der Weg zum Buffet sehr nahe. Das kann schon etwas ausmachen, wenn du etwa sieben Mal zum Buffet schreitest, so wie ich. Nach dem Frühstück, habe ich wieder alles zusammengepackt und aufgeladen. Die Temperatur heute in Tromsø war mit 6 Grad auch für den Juli unterdurchschnittlich. Dazu gab es noch Regen und einen rauen Wind. Egal unser heutiges Tagesziel heisst Storslett, und los geht die Fahrt.
Über die Brücke an der Eismeerkathedrale vorbei verliess ich die charmante Stadt auf demselben Weg, wie ich am Dienstag in die Stadt kam. Ich musste wieder 25 km zurück fahren um dann weiter nach Norden zu kommen. Und genau diese 25 km hatten es in sich. Der Gegenwind wollte mich in Tromsø behalten, aber wir kämpften wie richtige Wikinger dagegen. Und irgendeinmal war auch das geschafft, und wir konnten in ein Tal abbiegen, weg vom Meer und vom Wind. Es ging nun durch eine Hochebene zwischen Bergen hindurch. Es seien die höchsten Berge in Nordnorwegen, aber bei diesem Wetter war nichts zu sehen ausser Nebel. So bin ich in Breivik an der Fährstation eingetroffen und wollte dort in den Aufenthaltsraum oder in ein Kaffee. Da war NICHTS ausser eine Baustelle und es regnete, nein es schiffte und der Wind tat das seine dazu. Die nächste Fähre kommt in 80 Minuten, super Schmidi, Plan voll aufgegangen. Bei diesem Wetter kann ich mein Picknick nicht draussen machen, sonst ist das Brot aufgeweicht bevor ich die Butter drauf gestrichen habe. Die Not macht erfinderisch, und so bin ich auf die Baustelle und habe gefragt, ob ich in der Baustellenbaracke unterschlupf bekäme, bis die nächste Fähre kommt. So konnte ich im Asyl, im Trockenen und an der Wärme mein Picknick machen. Es war so schön, ich werde das nie vergessen und jetzt weiss ich auch, wie es in so einer Baracke aussieht.
Mit der Fähre gings dann rüber auf die Halbinsel Lyngen und dort war das Wetter auch nicht besser. Auf der Fähre bin ich noch dummerweise auf der Treppe ausgerutscht und anschliessend auf dem Arsch Stufe um Stufe runter gerutscht. Zum Glück hatte ich ein Polster und ausser den Ellenbogen habe ich nichts verschlagen. Auf Lyngen musste ich 22 km zurücklegen, um dann anschliessend die nächste und letzte Fähre meiner Reise zu nehmen. Ich wollte nun Vollgas geben, damit ich die frühere Fähre erwische, denn nochmals eine Stunde warten bei diesem sch….. Wetter wollte ich nicht. So bin ich wie Fabian Cancellara im Zeitfahren über die Insel gerauscht und zwischendurch gab es sogar eine Trockenperiode, weil wir durch ein Tunnel fahren durften. Auf jeden Fall war ich fünf Minuten zu früh dort, und war happy die Fähre erreicht zu haben. So ging es am anderen Ufer in Olderdalen wieder auf der E6 nordwärts. Die E6 begleitet mich ständig wieder auf meinem Weg ans Nordkap. Es kam dann sogar kurz die Sonne zum Vorschein, bevor es wieder zu regnen begann. Zum Dessert wartete nach 100 km noch ein kleiner Aufstieg (250 Meter) auf uns. Diesen haben wir aber auch überwunden und sind ins nächste Tal hinunter geflitzt und haben in Storslett unser Hotel bezogen.
Im Hotel gab es ein Buffet zum Diner, und das wollte ich mir nach so einem Tag nicht entgehen lassen. Mit Lachs, Poulet und es hatte sogar Reis, liess ich es mir gut ergehen. Nach dem Essen musste nebst den Kleidern auch die Taschen gereinigt werden, weil die so ziemlich schmutzig aussahen. Der heutige Tag war von den äusseren Bedingungen her der härteste Tag meiner Tour. Es war eine reine Kopf- und Willensleistung. Ich muss es mir ständig eintrichtern, dass das Ziel nahe ist, aber ich noch nicht dort bin! Morgen wird der nächste Schritt dorthin gemacht.
Erkenntnis des Tages: Die Dummen machen immer die gleichen Fehler, die Klugen immer neue.
15. Juli 2011 Storslett - Langfjordbotn 94 km
Was für eine schöne Tagwache. Die Sonne schien mir mitten ins Gesicht und weckte mich sanft, noch vor dem Wecker. Von der Sonne wach geküsst, das ist fast wie zu Hause. Ich mache die Nachtvorhänge gar nicht mehr zu. Die haben hier alle helle Nachtvorhänge, super die nützen im Sommer gar nichts, denn im Zimmer ist es hell mit oder ohne Vorhänge. Ich freute mich auf einen sonnigen und warmen Tag, doch leider hatte ich mich zu früh gefreut. Beim Frühstück bemerkte ich, dass der Grossteil des Himmels bedeckt war und die Sonne nur ein Schlupfloch gefunden hatte.
Da es immer noch sehr kalt war, habe ich mich für heute sehr warm angezogen, nur die Regenklamotten lies ich demonstrativ in meiner Tasche. Der Weg führte vorerst 25 km dem Straumfjorden entlang, bevor die Strasse auf 400 Meter ü.M. anstieg. Auf der Passhöhe wurde ich mit einem schönen Panorama auf das Meer und die umliegenden Inseln belohnt. Der Wind pustete uns fast vom Berg weg und es war bitter kalt. Für die Abfahrt habe ich mich warm angezogen, respektive ich habe fast alles angezogen inkl. Wind- und Regenjacke. Die Abfahrt war sehr schwierig zu bewältigen. Die Strasse war nass und der Wind wehte wirklich extrem stark. Ich wankte ziemlich stark, fiel aber zum Glück nicht um. Heil auf Meereshöhe angekommen machte ich auf einem schönen Rastplatz Pause, leider nur 10 Minuten, weil genau jetzt begann es zu regnen. Besten Dank. Dafür begleitete uns heute ein Regenbogen, mehrmals stand er mit seiner herrlichen Farbenpracht am Himmel und strahlte. So ging die Reise weiter auf den nächsten Pass der uns auf 270 Meter führte. Das ist nicht viel, aber es ist trotzdem anstrengend und man freut sich, wenn man die Kuppe erreicht hat.
Als Radfahrer bist du das schwächste Glied auf der Strasse. Es ist verrückt, wie dich die Autofahrer und vor allem die LKW Fahrer überholen. Die Mehrheit fährt natürlich korrekt und vorsichtig, doch einige Male spürte ich den Fahrtwind schon sehr sehr nahe. Da gibt es nur eines, du musst deinen Platz auf der Strasse verteidigen, und so fahre ich nicht mehr am Strassenrand sondern zum eigenen Schutz in der Strasse. Logisch finde ich mit dieser Fahrweise keine neuen Freunde, aber das ist mir schnuppe. Da ein Hinweis und eine Bitte an alle: Bitte wartet lieber einmal länger um einen Radfahrer zu überholen, der Sicherheit zu liebe. Danke. Nach 70 km Fahrt dann endlich die erste Statoil Tankstelle, oh Danke für die heisse Sjøko Mjølk! Auf den letzten Kilometern wurde ich vom Wind begleitet, mal blies er mir in den Rücken dann wieder ins Gesicht und es war immer noch frisch. Für heute Nachte hatte ich nichts gebucht, denn hier gibt es im Umkreis von 50 km kein Hotel und so bin ich im Altafjord Camping in Langfjordbotn eingefahren. Ich wünschte mir, dass es noch eine freie Hütte hatte, und ich mein Zelt bei diesen Temperaturen nicht aufstellen musste. Wer jetzt denkt ich sei ein Weichei, hat für heute sogar recht. Ich bekam das Häuschen Nr. 11 mit schönem Blick auf den Langfjorden. Jupie!
Ich war glücklich und dankbar mit meinem schmucken Häuschen. Zum Nachtessen machte ich mir den Jägereintopf aus meinem Notvorrat. Keine Angst ich bin nicht in Not, aber langsam geht meine Reise dem Ende entgegen. Den Jägereintopf habe ich noch mit den restlichen Spaghetti garniert und so gab es ein leckeres Mal. Am Abend esse ich etwa 250 gr. Teigwaren, das ist kein Witz! Ich hab euch ja gesagt, ich bin „the Fressmachine“. Morgen gibt es eine flache und kurze Etappe nach Alta, die Hauptstadt der Finnmark. Ich war vor 11 Jahren bereits mit Irène dort und habe die Mitternachtssonne gesehen. Es war faszinierend und eindrücklich. Mal schauen wie das Wetter morgen wird. Tippe auf viel Sonnenschein mit frischen Temperaturen.
Erkenntnis des Tages: Jeder Tag bringt mich noch näher ans Ziel.
16. Juli 2011 Langfjordbotn - Alta 76 km
Ich bin heute glücklich und gut ausgeschlafen in meinem Ferienhaus erwacht und aufgestanden. Die Sonne schien und der Himmel war blau. So schön. Zuerst machte ich mir ein schönes Frühstück. Da ich gestern hier vor Ort nichts einkaufen konnte und der nächste Laden etwa 50 km entfernt ist, hatte ich wirklich ein super Zmorgä mit Brot, Butter, Apfel, Biberli, CM Müesli von Familia, Schinken, gedörrte Aprikosen und dazu einen heissen Grüntee. So fängt doch ein Tag richtig schön an. Beim zusammenräumen stellte ich mich wieder einmal tollpatschig an. Zuerst habe ich den Tee ausgeschüttet und alles war nass, super Schmidy. Aber es kam noch besser, anschliessend habe ich mein Bidon ausgeschüttet, das sind immerhin 8 dl. Die Kacke war am dampfen, respektive Hochwasser in meiner Hütte. Irgendwie wurde es wieder trocken und ich war dann bereit für die Weiterfahrt.
Der Weg führte heute am Langfjorden entlang, ein schmaler Fjord aber wie es der Name schon sagt, extrem lang, mit 35 km sehr lang. Das Meer war Spiegelglatt kein Wind nur Sonne aber trotzdem nur 12 Grad, so ist das im Norden. Nach einer halben Stunde machte mir der Wind wieder das Leben schwer. Mit dem Gegenwind hätte ich noch gut leben können, doch er war frostig kalt. Habe mir fast die Finger abgefroren, aber ich war zu faul um die Wintersachen auszugraben. Nein, ich wollte einfach den Rhythmus nicht brechen. Und da kam auch schon die ersten Rentiere auf der Strasse daher. Kuschelige Viecher mit einem riesen Geweih, auf dem Teller sind sie übrigens auch sehr lecker. Man Ziel war nun Talvik, der nächste Ort, der eventuell eine Tankstelle oder einen Laden hat. Denn ich war schon ziemlich ausgeschossen mit Lebensmitteln, vor allem das Brot war alle. Meine Gebete wurden erhört, einen Coop mitten an der Strasse und mit zwei Sitzbankgarnituren. So habe ich nach dem Einkauf gleich mein Picknick vor dem Coop eingenommen.
Kurze Zeit später bekam ich Gesellschaft von einem 70jährigen Holländer. Er ist ebenfalls mit dem Rad und mit Sack und Pack unterwegs. Er ist vor fünf Wochen in Holland gestartet und fährt ebenfalls zum Nordkap und anschliessend über Schweden wieder zurück nach Hause. Der gute Mann übernachtet jede Nacht auf dem Camping und das mit 70. Hut ab, das sind wahre Helden! Ich machte mich dann wieder auf den Weg und er besorgte sich noch einen Kaffee. Es ist schon verrückt, was die Leute im Alter alles noch machen. Ich freue mich schon heute auf die Pension, mal schauen was mir dann noch alles in den Sinn kommt. Mein heutiges Ziel war Alta, wo ich im Vandrerhjem ein Bett reserviert habe. Dummerweise ist die Jugi etwa 8 km ausserhalb von Alta auf einer Anhöhe gleich beim Golfplatz. Zuerst war ich etwas enttäuscht, aber die Ruhe hier tut mir gut. Nach dem Duschen, Waschen und dem grossen Veloservice genoss ich draussen an der Sonne, windstill einen Kaffee und einen Schoggikuchen (ein Stück).
Zum Abendessen gab es nochmals Pasta und für die Beine eine Massage. Morgen gibt es eine intensive Etappe durch die Berge. Von Alta aus führt der Weg über 90 km durch ein Fjell (Berge), ohne Ortschaften, ohne Tankstelle durch eine karge Landschaft. Wahrscheinlich werde ich das eine oder andere Rentier antreffen. Der Plan sieht somit so aus, dass wir morgen über die Berge fliegen und am Porsangerfjord Stellung beziehen, damit wir anschliessend am Montag das Nordkap erobern können.
Erkenntnis des Tages: Ein neuer Weg ist immer ein Wagnis, aber wenn wir den Mut haben loszugehen, dann ist jedes Stolpern und jeder Fehltritt ein Sieg über unsere Ängste, unsere Zweifel und Bedenken.
17. Juli 2011 Alta - Olderfjord 118 km
Um 6.15 Uhr ging es heute aus den Federn. Ich habe gut geschlafen und war bereit für die heutige anspruchsvolle Etappe. Irgendwie ist es ganz anderes wenn du weisst, heute wird’s hart oder es steht eine Lange Etappe auf dem Programm. Ich bin dann viel konzentrierter und eine kleine Anspannung ist mir anzumerken. Das ist auch gut so, wie sagen die grossen Künstler: Vor jedem Auftritt hat man etwas Lampenfieber. Ich war der erste beim Frühstück und da vom Personal niemand anwesend war, durfte ich das Buffet eröffnen. Respektive es hatte eine Anleitung für den ersten, was alles zu tun war. So habe gemütlich gefrühstückt und habe mir erlaubt noch etwas für unterwegs einzupacken. Etwas Schinken und Käse, ein Ei, etwas Butter und ein Brötchen, so als Lohn für die Inbetriebnahme des Buffets. Ich konnte gestern nicht mehr nach Alta zum einkaufen und heute Sonntag haben die Läden geschlossen, deshalb war das eine Notsituation.
Meine Zimmerkollegen in der Jugi, zwei Deutsche und ein Franzose, sind auch um 7 Uhr aufgestanden, denn sie wollten heute mit dem Auto schnell auf die Lofoten fahren. Okay, ich habe immerhin eine Woche dafür benötigt. Dafür habe ich viel mehr gesehen und einiges mehr erlebt. So startete ich in die heutige Etappe und fuhr zuerst nach Alta und dann dem Fjord entlang in die Berge. Nach dem Aufstieg auf 400 Meter führte die Strasse über ein Fjell. Es war endlos lang, die Landschaft war karger als karg, nichts, keine Bäume, keine Rentiere einfach diese Fläche. Es war so uninteressant aber doch faszinierend diese Landschaft zu beobachten. Der Himmel war stark bewölkt und es war kalt, und ich war wieder mit der Winterausrüstung unterwegs inklusive beiden Jacken. Ich war wirklich sehr dankbar, dass es heute nicht regnete, denn du hättest da oben nirgends einen Unterstand oder irgendetwas gefunden und schon gar keine Tankstelle. 60 Kilometer ging das so vor sich hin bis endlich die nächste Ortschaft Skaidi kam. Endlich wieder in der Zivilisation und ein Kaffee bei Statoil. Als ich bei der Tankstelle meinen Kaffee genoss, wurde ich plötzlich von einem Berner Paar angesprochen. Er hatte am Hinterrad einen Defekt und fragte mich um Rat. Ich sagte ihm gleich, dass ich eine technische Wildsau sei und keine Ahnung habe, aber so könne er bestimmt nicht mehr lange weiter fahren. Sie überlegten sich nun, die Nacht hier zu verbringen und morgen mit Bus nach Alta zu fahren, um ein neues Rad zu kaufen. Die beiden sind in Finnland in Oulu gestartet und wollen ebenfalls ans Nordkap. Nachdem wir noch etwas getratscht haben, nahm ich anschliessend die letzten 25 Kilometer in Angriff.
Dasselbe Bild einfach etwas kürzer, Aufstieg, fahrt über das Fjell und Abfahrt nach Olderfjord. Dort fuhren wir auf den Camping und mieteten uns noch ein allerletztes Mal eine Hytte. Ich muss zwar zugeben, diesmal war es mehr eine Baracke, dafür hatten wir mehr Platz als sonst. Mein treuer Begleiter darf diese Nacht sogar im Wohnzimmer sein. Und wen traf ich auf dem Camping, natürlich mein Holländischer Kollege. Wir haben noch über den heutigen Tag diskutiert und geschaut, was morgen so auf dem Programm steht. Nach dem Waschen habe ich mir nochmals eine schöne Portion Hörndli mit Tomatensauce gemacht und gemütlich in meiner Hütte gegessen.
Morgen wird es wieder einen sehr intensiven Tag geben. Die Fahrt geht dem Porsangerfjord entlang und anschliessend geht’s durchs 7 km lange Nordkaptunnel unter dem Meer durch auf die Insel Mageroya. Auf dieser Insel führt der Weg 33 km lang auf den Nordkapfelsen, der auf über 300 Meter liegt. Also nochmals einige Höhenmeter zu absolvieren, aber mit dem Ziel vor Augen, erschreckt einem nichts mehr. Also auf zum letzten Schritt, Nordkap wir kommen.
Erkenntnis des Tages: Die strammsten Schenkel haben schon wir Schweizer.
18. Juli 2011 Olderfjord - Nordkap 130 km (163 km)
So nun ist er da, der Tag der Krönung. Voller Energie und bereit für das Abenteuer bin ich schon vor dem Wecker erwacht. Die Nahrungsmittel sind heute wieder knapp und bis Honningsvag (100 km) gibt es keine Läden, also habe ich zum Frühstück die Reserven angezapft. Knäckebrot, Biberli, Apfel und einen heissen Kaffee und etwas Brot von Samstag. Um 7 Uhr ging die letzte Fahrt zum grossen Ziel los. Ich fühlte mich heute wie ein Bergsteiger, der gut vorbereitet von seinem Basislager startet, um den Gipfel zu erreichen. Unglaublich, aber genau heute an meinem 50. Reisetag schien die Sonne und der Himmel war strahlend blau. Was für eine zusätzliche Motivation, einfach genial. Ich habe die Fahrt so richtig genossen, die Natur noch einmal hautnah miterlebt und es wurde mir viel geboten. Zuerst bestaunte mich ein Fuchs ähnliches Tier, anschliessend überflog mich ein grosser Raubvogel, auf der Strasse standen die Rentiere spallier und die Möwen kreischten nochmals für mich. So kam ich gut voran, auf der rechten Seite der Porsangerfjord auf der linken Seite die arktische Wildnis. Keine Bäume mehr nur noch Steine und etwas Gras, wie bei uns im Sommer auf 2500 Meter.
Die Zeit und die Kilometer verflogen im nu, und dann stand ich schon bald vor dem Nordkap-Tunnel und erreichte den Tiefpunkt meiner Reise. Der Tunnel geht 212 Meter unter dem Meer durch. Wie hatte ich vor meiner Reise Respekt vor diesen 7 km. Zuerst geht es mit 10% 2 ½ km runter, anschliessend 2 km gerade aus und dann 2 ½ km mit 10% rauf an die frische Luft. Ich fuhr in den Tunnel und war so konzentriert wie Didier Cuche am Start der Lauberhorn Abfahrt. Die Abfahrt war einfach genial und der Aufstieg auch. Seit langem brannten meine strammen Schenkel wieder, aber ich bin an der frischen Luft angekommen und ein Stein ist mir vom Herzen gefallen. Nach 100 km bin ich bereits um 14 Uhr in Honningsvag angekommen, wo ich mein Zimmer im Vandrerhjem bezog und noch einen letzten Grosseinkauf tätigte. Ich verdrückte eine schöne Ladung für die letzten 30 km ans Nordkap. Dann begann die Expedition und wir nahmen die letzten 30 Kilometer unter die Räder. Mittlerweilen war die Sonne verschwunden und düstere Wolken zogen am Himmel auf. Ich wusste dass das Teilstück ein Kraftakt werden würde, aber dass es so streng wäre, das hätte ich mir nie gedacht. Der Aufstieg wurde ebenfalls mit 10% angegeben und war über 3 km lang. Da war das Tunnel das reine Zucker schlecken. Oben angekommen ging es dann wieder die Hälfte runter und wieder steil nach oben und dann blies der Wind einen fast vom Sattel. Zum Glück regnete es nicht. Ich musste nochmals richtig auf die Zähne beissen, hoffe ich habe alle noch.
Den Nordkapfelsen habe ich schon lange gesehen, aber er wollte nicht näher kommen. Und irgendeinmal hat jedes Leiden ein Ende und der letzte Hügel war überwunden und etwa 500 Meter vor mir war nun der Gipfel, respektive das Ende von Europa. Da hat es mich gleich einmal emotional durchgeschüttelt und ich musste mich zusammenreissen, dass ich die Dame an der Zahlstelle überhaupt sah vor lauter Wasser in den Augen. Aus Respekt vor meiner Leistung war der Eintritt frei! So bin ich um 17.42 Uhr nach 50 Tagen und 4952 km und rund 300 Stunden auf dem Sattel am grossen Ziel angekommen. Ich streckte meine Arme zum Himmel und machte einen Jubelschrei, es war geschafft. Ein unglaubliches Gefühl. Wie sagen die Sportler jeweils: Ich habe noch gar nicht realisiert was ich erreicht habe, das werde ich wahrscheinlich erst in den nächsten Tagen begreifen. Mir geht es genauso. Ich hatte einfach nur Freude, war glücklich und dankbar, dass ich das alles erleben durfte. Etwas stolz bin ich natürlich auch. Kurz zusammengefasst: FREUDE HERRSCHT!
So bin ich mit meinem allerliebsten, treuen und zuverlässigen Begleiter, meinem Fahrrad, Pferdchen und Wikingerschiff vor die bekannte Nordkap Weltkugel zum Fotoshooting gegangen. Ein Bild für die Ewigkeit. Anschliessend habe ich die Nationalhymne, One Moment in time, it’s Miracle, so ein Tag so wunderschön wie heute, und noch viel mehr gesungen. Natürlich nur für mich.
Bei der ganzen Planung habe ich vergessen, dass ich vom Nordkap wieder 30 km zurück nach Honningsvag musste. Also wirklich wie ein Bergsteiger, der kann auch nicht ewig auf dem Gipfel sein und muss wieder einmal zurück. Vor dem Abstieg gönnte ich mir aber doch noch einen Kaffee, schlenderte durch die Hallen und genoss den Moment, sogar in der Nordkap Kapelle war ich für eine Weile und konnte die Ruhe geniessen. Ich hatte schon 130 km in den Beinen und nun dieser beschwerliche Rückweg von weiteren 30 km. Zufällig stand gerade der Bus vor dem Haupteingang und ich überlegte mir, ob ich den Bus nehmen sollte. A) liess es mir der Stolz nicht zu und B) Reto Costa hat mir verboten den Bus zu nehmen. Also machten wir uns auf den Heimweg, denn mit der Mitternachtssonne wurde heute eh nichts mehr, der Himmel war bedeckt. Der Wind, nein es war ein Sturmwind erschwerte die Fahrt enorm, es wurde mir nochmals alles abverlangt. Aber irgendeinmal bin ich erschöpft aber zufrieden in Honningsvag angekommen. Vielleicht nehme ich das nächste Mal trotzdem den Bus und höre nicht auf Reto. Dann die verdiente Dusche, und zum Nachtessen habe ich mir meine Notration Risotto gekocht und zum Dessert gab es ebenfalls aus der Notration Vanillepudding. Das schmeckte lecker.
Morgen geht die Reise weiter mit dem Schiff. Bereits um 6.15 Uhr fährt die Hurtigrute in Honningsvag ab und ich darf mich fünf Tage auf der schönsten Seereise der Welt erholen. Dann werde ich meinen Erfolg auch noch ausgiebig und gemütlich feiern und werde es mir gut gehen lassen. Ich weiss, nun muss ich meine Essgewohnheiten wieder etwas anpassen und „the Fressmachine“ ist Geschichte.
Ich danke euch allen, dass ihr meinen Blog gelesen habt und mich auf dem Weg ans Nordkap begleitet habt. Mir hat es sehr viel Spass gemacht, mein Tagebuch zu schreiben. An alle zu Hause in der Schweiz und an die Freunde in Dänemark ganz liebe Grüsse und DANKE! Wer Lust hat kann morgen wieder reinschauen, ich werde sicher wieder ein paar Zeilen auf die Tasten bringen. See you.
Erkenntnis des Tages: Pain is temporary, Glory is forever!
19. Juli 2011 Hurtigrute (Honningsvag - Tromsø)
Der Tag danach, das war heute. Nach einer ganz kurzen Nacht bin ich bereits um 5 Uhr aufgestanden und habe meine sieben Sachen zusammen gepackt und bin mit meinem Radel zum Hafen gefahren. Der Wind stürmte die ganze Nacht ums Haus und heute gesellte sich auch der Regen noch dazu. Zum Glück war ich gestern auf dem Gipfel. Da war sie nun im Hafen von Honningsvag, die Hurtigrute Nordstjernen, mit der ich nach Bergen reisen darf. Die Nordstjernen ist das älteste Schiff der Hurtigrutenflotte, das noch in Betrieb ist. Natürlich hat es nicht die Luxusausstattung wie ein Kreuzfahrtschiff, dafür hat es viel mehr Charme und vermittelt einem eine Brise Nostalgie. Vorsichtshalber habe ich mir im Supermarkt eine Trillerpfeife gekauft, nur falls das Schiff untergehen würde. Ich habe meine Kabine bezogen und mich gemütlich eingerichtet. Anschliessend musste ich noch die Wäsche machen, da ich gestern keine Zeit, nein keine Lust mehr hatte. Aber dann pilgerte ich zum Frühstücksbuffet und genoss es heute gleich doppelt, denn ich konnte mir heute unendlich viel Zeit lassen. Es ist wirklich zum geniessen, du fährst auf dem Meer, siehst die Berge an dir vorbei ziehen, es ist fast wie auf dem Fahrrad!
Ich war heute wirklich sehr dankbar, dass keine Etappe auf dem Programm stand. Denn gestern war wirklich ein sehr harter Tag für die Beine, die heute auch entsprechend schwer waren und die Muskeln sind gut spürbar. Dafür haben sie eine Massage erhalten. Was macht man eigentlich auf so einem Schiff ausser Essen und Schlafen? Lesen, Fotos anschauen, die Tour verarbeiten oder einfach nur die Natur beobachten, wie beim Radfahren. Es ist so schön, einen Teil meines Weges wieder zurück fahren zu können. Da kann ich zu mir sagen: Oh ja da war ich auch, da war dies und das, all die Erinnerung kommen wieder und ich kann meine Tour verarbeiten. Heute Abend fahren wir in Tomsø ein, die Stadt die ich mit 6 Grad verlassen habe, und dann führt der Weg über die Lofoten.
Herzlichen Dank für alle Glückwünsche und Gratulationen. Ich habe mich riesig über die vielen Rückmeldungen gefreut, ich bin überwältigt. Takk! Es war wirklich ein grosser Moment für mich, den ich nie vergessen werde. Am 30. Mai 2011 bin ich Sarnen bei brütender Hitze gestartet und am ersten Abend in Basel total erschöpft angekommen. An diesem Abend hatte ich Zweifel, dass ich das Ganze nicht durchstehen würde, ich war körperlich am Ende. Dabei hatte das Abenteuer erst begonnen! Aber es ging weiter und ich musste mich in das Projekt rein knien, was mir auch von Tag zu Tag immer besser gelang. Während den beiden ersten Woche hatte ich so fürchterliche Knieschmerzen, es war fast nicht zum aushalten. Am vierten Tag sass ich am Morgen auf meinem Bett, das Knie pochte vor Schmerzen, und ich dachte mit Tränen in den Augen ans Aufgeben. Mit einer Kniebandage und mit Tigerbalsam wurde das aber immer besser, und ich konnte nach zwei Wochen wieder schmerzfrei radeln. Von daher hatte ich sehr viel Glück, nichts ist passiert, keine Beschwerden und keine Unfälle. Die Notfallapotheke musste ich nur einmal öffnen für ein Pflaster, als ich auf dem Camping über die Treppe gestolpert bin.
Heute Mittag machte die Nordstjernen in Hammerfest einen längeren Halt und wir konnten von Bord gehen. Nach einem kurzen Spaziergang, um die Beine etwas zu bewegen, suchte ich wie ein gestörter einen Supermarkt. Einkaufen, einkaufen was ist nur mit mir los, ich bin schon fast wie eine Frau! Das Nachtessen auf dem Schiff war extra Klasse, habe auf der ganzen Reise bisher nirgends so gut gegessen wie hier, nur die Portionen sind nicht für Radler geeignet. Ist auch gut so, ich bin ja am abbauen. Heute geht es früh ins Bett, schliesslich muss ich noch etwas Schlaf von gestern nachholen, oder gibt es um Mitternacht ein Wiedersehen mit Tromsø?
Erkenntnis des Tages: Bevor du aufgibst, probiere es mit Tigerbalsam.
20. Juli 2011 Hurtigrute (Tromsø - Stamsund)
Ich habe mich doch gestern tatsächlich für ein Wiedersehen mit Tromsø entschieden. Plötzlich war der Himmel wolkenlos und die Sonne schien. So sind wir mit der Mitternachtssonne um kurz nach 24 Uhr in der Eismeerstadt eingefahren. Es ist schon speziell, wenn du um Mitternacht draussen bist und die Sonne scheint immer noch. Nach diesem tollen Ereignis verzog ich mich aber umgehend in meine Kabine und legte mich hin. Heute Morgen bin ich um 8 Uhr aufgestanden und habe mich am Frühstücksbuffet vergriffen. Es war für mich ein spezieller Tag, denn die Reise führte mehr oder weniger meiner Fahrradroute entlang auf die Lofoten. Harstad, Sortland, Stokmarknes und Svolvaer waren die Stationen. Wir haben mit dem Schiff einige Brücken unterquert, die ich mit meinem Velo überquert habe. Es war ein tolles Gefühl, all das nochmals zu sehen und es war einfach schön. Die Erinnerungen an die verschiedenen Passagen waren mir gleich wieder präsent.
Hier sind noch einige Zahlen zu meiner Nordkap 2011 Tour. Die Strecke betrug knapp 5000 km, davon habe ich 50 km in Tunnels verbracht, habe 21 Mal die Fähre benötigt und einmal die Bahn. Ich war während 301 Stunden im Sattel, habe 145‘000 kcal verbrannt und rund 15‘000 Höhenmeter überwunden. Übrigens wer nun meint, mein Allerwertester sei ein Ledersessel den man ab nächster Woche bei Möbel Egger kaufen kann, der hat sich getäuscht. Immer noch zart wie ein Baby-Popo, dank dem täglichen einschmieren von Hirsch-Talg. Während meiner Tour hatte ich zwei Platten und musste mehrmals die Ständerschraube anziehen lassen, sonst nichts. Es hat sich tatsächlich gelohnt, ein super Fahrrad zu kaufen und dafür etwas Geld auszugeben. Das war die Basis für den reibungslosen Verlauf und gibt einem die nötigen Sicherheit und das Vertrauen. Vor allem für mich war es sehr wichtig, bin ich doch technisch sehr begabt und habe zwei linke Hände.
Zwischenzeitlich habe ich viel über das schlechte Wetter gemeckert, vor allem in Schweden war es mies. Radfahren ist ein Outdoor Sport und der findet bei jedem Wetter statt. Der Gärtner oder der Förster arbeitet auch den ganzen Tag draussen, egal ob die Sonne scheint oder ob es regnet. Das musste ich mir eintrichtern und das Wetter wurde zur Nebensache. Am Schluss ist mir das auch gut gelungen. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich in den 50 Tagen enormes Wetterglück. In den wichtigen Momenten war es schön oder zumindest trocken. In den Bergen im Dovre-Fjell, im Fjell nach Alta oder die Schlussetappe zum Nordkap. Mit Regenwetter wäre das sehr hart geworden. Die Etappe nach Lillehammer über die Eigernordwand war sehr unangenehm, denn zur Nässe kam noch die bittere Kälte dazu. Das war für mich die härteste Etappe, obwohl sie fast am kürzesten war. Vielleicht hatte ich auch einfach einen schlechten Tag eingezogen.
Das Wetter wechselt hier sehr schnell, aber heute war es konstant schlecht und kalt. Das angenehme auf dem Schiff ist, du kannst draussen sein, oder kannst dich an der Wärme aufhalten. Heute Nachmittag ist das Schiff in den bekannten Trollfjorden gefahren. Das ist der schmale Fjord mit den hohen und steilen Bergen rechts und links, der auf vielen Postkarten und Prospekten zu sehen ist. Es war wirklich sehr eindrücklich, obwohl die Berge nicht vollständig zu sehen waren wegen dem Nebel. Weiter ging die Fahrt an den markanten Bergen der Lofoten vorbei, bevor es dann in der Nacht wieder Richtung Bodø geht. Zum Dinner gab es Fisch und es war wieder sehr köstlich. Das Leben auf dem Schiff ist sehr angenehm und erholsam. Aber ich bin trotzdem froh, wenn ich zwischendurch an Land gehen kann, um meine Beine etwas zu bewegen, du kannst ja nicht plötzlich von 100 auf 0 runter fahren.
Erkenntnis des Tages: Wer die Augen offen hält, dem wird im Leben manches glücken, doch noch besser geht es dem, der es versteht eins zuzudrücken.
21. Juli 2011 Hurtigrute (Stamsund - Rørvik)
Tag drei auf der Hurtigrute und es ist immer noch sehr schön und abwechslungsreich. Ich bin um 8 Uhr aufgestanden und habe anschliessend das Frühstück genossen. Also beim Frühstück habe ich noch nicht mit der Menge reduziert, und geniesse es weiterhin im vollen Umfang. Um 9.15 Uhr haben wir wieder den Polarkreis überquert und es geht immer Richtung Süden, wieder langsam nach Hause. Es ist sehr schön, dass ich meine Reise so gemütlich abschliessen darf, aber natürlich freue ich mich sehr auf zu Hause, auf meine Familie und alle Freunde und Bekannten. Der heutige Tag steht wieder ganz im Zeichen meiner Radtour, denn die Fahrt der Nordstjernen verläuft auf meinem Weg, einfach in die andere Richtung und auf dem Wasser. Könnt ihr euch noch an die Bergkette die sieben Schwestern erinnern? Heute sind wir daran vorbei gefahren, und die waren schon wieder nicht da, respektive waren nicht zu sehen. Sind die immer noch auf Shoppingtour?
Meine Tour durch den Norden ist wirklich reibungslos verlaufen. Vielleicht hat es den Eindruck erweckt, dass ich durchgerast bin und wenig Zeit für sonstiges aufgewendet habe. Es war für mich anspruchsvoll einen idealen Mix zwischen Sightseeing, Kaffeetrinken und Radfahren zu finden. Das Hauptziel war das Erreichen des Nordkaps, und dem habe ich alles andere untergeordnet. Am Rhein zwischen Rüdesheim und Koblenz könntest du alle 500 Meter in ein Kaffee einkehren, oder wenn du jede Sehenswürdigkeit anschauen möchtest, kommst du kaum vom Fleck. Auf jeden Fall hat es für mich gestimmt, und ich habe auch so sehr viel gesehen. Mein grosser Traum war es nach dem Erreichen des Nordkaps die Rückreise mit der Hurtigrute antreten zu dürfen. Die Schiffe sind fast alle ausgebucht, und von daher war es sehr schwierig so kurzfristig eine freie Kabine zu erhalten. In dieser Woche war nur auf dem Schiff vom 19. Juli 2011 ein freier Platz, daher wollte ich dieses Schiff unbedingt erreichen. Einmal musste ich mich entscheiden und buchen. Mit dem neuen Terminplan musste ich nun einen Tag aufholen und habe auf den Ruhetag in Bodø verzichtet. Zeitreserven hatte ich somit keine mehr, aber etwas Risiko muss man im Leben eingehen können. Man kann nicht immer alles dreifach absichern, was wir Schweizer ja sehr gerne machen. Man muss bereit sein, gewisse Risiken zu tragen und zu verantworten.
Welches waren meine bewegendsten Momente auf der Tour? Sicher die Abfahrt auf dem Landenberg werde ich nie vergessen, dann die Fahrt von Hamburg hinaus nach Blankenese war wunderschön. Bewegt hat mich auch der Grenzübertritt nach Dänemark, weil ich noch nie in Dänemark war, sowie die erste Etappe auf den Lofoten. Bei Sonnenschein durfte ich durch die Spitzberge am Meer entlang kurven, unvergesslich. Und natürlich das Erreichen des ganz grossen Ziels, das Nordkap. Dieser Moment ist für immer in mir abgespeichert und wird mich wahrscheinlich durchs ganze Leben begleiten. Ich habe sehr viele nette Leute aus der ganzen Welt getroffen und kennen gelernt. Am meisten beeindruckt hat mich der 70jährige Holländer, der von zu Hause mit seinem Velo ans Nordkap und wieder zurück fährt. Und wie es sich für einen Holländer gehört, übernachtet er jeden Abend bei jeder Witterung in seinem kleinen Zelt auf dem Camping. Hut ab vor diesem Willen und dieser Leistung. Ich bin wirklich beeindruckt und er ist mein Held!
Ich habe es mir da viel bequemer gemacht mit den Übernachtungen. Am schönsten war die Atmosphäre auf dem Camping, richtiges Abenteuergefühl und gute Stimmung, aber es war auch am strengsten. Die Hytten waren sehr komfortabel und vermittelten den Eindruck einer Brise Romantik. Die Jugendherbergen und Vandrerhjem waren komfortabel, aber je nach Zimmerkollegen anstrengend. Die Hotels waren natürlich am bequemsten und boten den grössten Luxus. Vor allem das Morgenbuffet genoss ich dann jeweils in vollen Zügen. Die beiden Tage in Münster bei Bernd waren natürlich auch sehr schön, und noch eine Klasse besser als im Hotel. Ich habe für mich einen guten Übernachtungsmix gefunden und es hat Spass gemacht, all die Erfahrungen zu sammeln. Die Kabine auf dem Schiff hier ist sehr klein, ist aber mit allem Notwendigen ausgestattet. Und das Wichtigste, man schläft gut und ruhig. Gestern wurde ich sogar von den Wellen ein gewiegelt.
Erkenntnis des Tages: Man muss bereit sein Risiken einzugehen und auch dafür die Verantwortung zu übernehmen.
22. Juli 2011 Hurtigrute (Rørvik - Alesund)
Gut ausgeschlafen und prima durchgeschaukelt bin ich heute Morgen um 8 Uhr aufgestanden. Gestern Abend fand noch das Kapitän-Dinner statt, es war wie in der Fernsehserie Traumschiff. Die ganze Crew war zum Abendessen anwesend, der Kapitän hielt eine kurze Ansprache, es gab ein hervorragendes Rindsfilet und zum Dessert eine Eisbombe, natürlich mit brennenden „Weihnachtssprotzli“ dekoriert. Ich hatte ein nettes Ehepaar aus Stavanger an meinem Tisch, die mir sehr viel über Norwegen erzählt haben. Warum sind so viele Häuser in Norwegen rot? Dies seien vor allem die Bootshäuser, Lagerhäuser, Ställe und zum Teil auch Wohnhäuser, denn die rote Farbe war früher die billigste Farbe und darum habe es so viele rote Häuser. Interessant. Ich habe die Norweger als eher zurückhaltende, aber sehr freundliche und hilfsbereite Menschen erlebt. Ist Norwegen teuer? Das Preisniveau ist mindestens auf gleicher Höhe wie in der Schweiz, extrem teuer ist hier der Alkohol. Für ein Glas Bier zahlt man locker CHF 10 und auch der Wein ist sehr teuer. Der Kaffee wird meistens aus so Kannen serviert und ist nicht besonders gut, oder auf jeden Fall erreicht er nicht den Level wie unsere Kaffeemaschinen.
Das Frühstück konnte ich in aller Ruhe im Hafen von Trondheim geniessen. Die meisten Passagiere waren in die Stadt ausgerückt, aber ich habe das Zmorgä bevorzugt. Schliesslich war ich zwei Tage hier und habe das Wichtigste gesehen. Die heutige Tour führte von Trondheim hinaus nach Kristiansund, wo ich an einem geführten Ausflug mit dem Bus teilnahm. Es ging über die Atlantikstrasse von Kristiansund nach Molde. Es war sehr interessant diesen wunderschönen Weg über die vielen Brücken und über die kleinen Inseln zu fahren. Doch leider regnete es und es war stark bewölkt. Das Nachtessen haben wir unterwegs eingenommen und es gab eine einheimische Spezialität, Bacalao. Genauer gesagt haben die Spanier dieses Rezept nach Norwegen gebracht, und es ist ein Eintopf mit Fisch, Kartoffeln, Gemüse und Tomatensauce. Das Wichtigste, es hat sehr gut geschmeckt. Es war ein schöner Ausflug und ich war bei den Deutschen sehr gut aufgehoben.
Um so eine Radtour durchzustehen braucht es natürlich eine gute Vorbereitung. Einerseits die körperliche Vorbereitung und andererseits die mentale. Im letzten Jahr war meine längste Fahrradtour mit der Familie um den Sarnersee. Die Strecke ist immerhin 17 km lang. Die Grundkondition habe ich mir mit Laufen antrainiert und mit dem Velofahren habe ich erst in diesem Jahr begonnen. Zuerst auf dem Hometrainer und ab April auf meinem Tourenbike. Wie ich schon in meinem Blog geschrieben habe, jeder Tag war ein Training für den Rest der Tour. Die meisten Etappen waren körperlich nicht sehr anstrengend, es war viel mehr eine Kopfsache. Um so ein Projekt durchzuziehen braucht es in erster Linie mentale Stärke, einen starken Willen und etwas Durchhaltevermögen. Im Kopf war ich natürlich schon über 1000 Mal am Nordkap angekommen, aber der wirkliche Weg war lang, und ich habe mit Zwischenzielen gearbeitet. Die ganze Aufmerksamkeit galt immer der nächsten Etappe, die war die wichtigste und die härteste. Was mir auch geholfen hat, ist das positive Denken. Alles Negative hat eine positive Seite und die musst du sehen, dann geht alles viel einfacher und besser. Von daher betrachte ich das Projekt nicht als körperliche super Leistung, sondern viel mehr als mentalen Erfolg oder als eine starke Willensleistung.
Nach dem Trip über die Atlantikstrasse haben wir in Molde wieder das Schiff bestiegen und die Fahrt geht weiter nach Alesund, wo wir um Mitternacht einfahren werden. Ich will dort an Land gehen, denn es soll eine interessante und spezielle Stadt sein. Morgen geht dann die Reise mit der Hurtigrute in Bergen zu Ende. Ich werde aber noch zwei Tage in Bergen verbringen und anschliessend am Montagabend in die Schweiz zurück fliegen. Jupie!!!!
Erkenntnis des Tages: Mit einem starken Willen kannst du Berge versetzen.
23. Juli 2011 Hurtigrute (Alesund - Bergen)
Eigentlich hätte ich um Mitternacht in Alesund an Land gehen wollen, aber es regnete in Strömen und es war dunkel. Etwas was ich in den letzten Wochen nicht mehr erlebt habe. Daran muss und werde ich mich wieder schnell gewöhnen. Auf dem Weg vom Deck in die Kabine musste ich durch den Aufenthaltsraum und da standen Menschen wie eine Traube vor dem Fernseher. Was ist geschehen? Ein Attentat! Wo? In Norwegen in Oslo. Mein Herz raste und es war mir nicht mehr ganz wohl. Vor wenigen Wochen war ich in Oslo und jetzt ein Anschlag auf diese Stadt, unglaublich. Ich konnte es nicht fassen und ging ziemlich aufgewühlt ins Bett. Richtig schlafen konnte ich nicht, denn das Schiff schaukelte heute nochmals zwei Stufen mehr als gestern. Ständig flog wieder etwas vom Tisch und ich musste tatsächlich aufpassen, dass ich nicht aus meinem Bett rollte, das ist kein Witz, wirklich. Am Morgen habe ich erfahren, dass ein Sturm mit der Stärke 8 übers Meer fegte und der Kapitän alle Hände voll zu tun hatte, das Schiff über Wasser zu halten. Zum Glück ist alles gut verlaufen, am Morgen plätscherte unsere Nordstjernen wieder ruhig über das Meer.
Es ist bereits der letzte Tag auf dem Schiff, nach einer schönen und erlebnisreichen Fahrt mit der Hurtigrute sind wir um 14.30 Uhr in Bergen angekommen und ausgestiegen. In Bergen werde ich nun die nächsten beiden Tage bleiben und mir die Stadt anschauen. Wenn ich könnte und Harry Potter wäre, würde ich nun am liebsten „apparieren“ und zu Hause neben dem Ofen auftauchen. Es hängt eine riesen grosse Trauer über dem Land, es ist eine ganz ruhige Stimmung und die Leute sind geschockt. Ich natürlich auch, denn erst heute habe ich im Internet Informationen über das Ausmass erhalten. Am Hafen durfte ich wieder einmal mein Fahrrad beladen und losfahren. Ein schönes Gefühl, ich habe es tatsächlich genossen. Die Fahrt war aber nur kurz und ich bin schon im Hotel angekommen.
Während meiner Reise habe ich nie den Fernseher eingeschaltet oder eine Zeitung gelesen und ich habe es gar nicht vermisst. Was zu Hause so wichtig ist, man meint es auf jeden Fall, war hier völlig unwichtig. Bis gestern hatte ich keine Ahnung was auf dieser Welt geschehen ist, es war einfach nicht wichtig. Keine Ahnung wie der Eurokurs steht, der Ölpreis oder der Aktienmarkt, wer hat Wimbledon gewonnen, was hat der FCL gemacht, plötzlich alles unwichtig. Das habe ich wirklich sehr genossen auf meiner Tour, es zählte nur meine Reise und der Rest war Nebensache. Obwohl ich sportlich sehr aktiv war, war ich auch sehr selten müde und fast nie angespannt oder nervös. Was hat mir nun dieser Trip gebracht? Ich kann es noch nicht abschliessend sagen, denn ich weiss es noch gar nicht. Ich habe viel gesehen und erlebt, viele Leute kennen gelernt, mich kennen gelernt und viele Erfahrungen gesammelt. Es braucht etwas Mut, um sich eine Auszeit zu nehmen. Es braucht Verständnis vom ganzen Umfeld und vor allem vom Partner und von der Familie. Aber es ist wirklich empfehlenswert sich für eine kurze oder auch längere Zeit vom Alltag zu verabschieden.
Bergen ist die zweitgrösste Stadt Norwegens und bekannt durch seine alten und farbigen Häuser an der Bryggen. Ich habe einen Ausflug durch die Stadt gemacht und bin anschliessend mit einer Bahn auf den Aussichtsberg Floyen gefahren. Von da oben hat man eine sensationelle Aussicht über Bergen und die vielen Fjorde, die die Stadt umschlingen. Es war wirklich fantastisch und meine Stimmung hat sich wieder etwas aufgehellt. Auf dem Berg traf ich noch einen Deutschen den ich auf dem Schiff kennen gelernt habe. Ein Pensionierter aus Hamburg der mit seiner Frau zur Goldenen Hochzeit diese Schifffahrt gebucht hat. Wir hatten sicher eine halbe Stunde eine super Unterhaltung, und er hat mir erzählt, dass er als Lehrling am Bau unseres Schiffes Nordstjernen gearbeitet habe. Nun konnte er zum ersten Mal auf „seinem“ Schiff mitfahren. Eine sehr schöne Geschichte und ich mag es ihm von Herzen gönnen, denn er stammt aus sehr armen Verhältnissen. Den Abend rundete ich mit einem schönen Nachtessen ab, Fischsuppe und Fajitas und dann gings ins Bett, mit der Hoffnung auf eine ruhigere Nacht als die letzte.
Erkenntnis des Tages: Wehmut kann lächeln, Trauer kann es nicht.
24. Juli 2011 Ruhetag in Bergen
Diese Nacht hatte ich tatsächlich keinen Wellengang, aber ich habe trotzdem nicht so gut geschlafen. Wahrscheinlich bin ich etwas aufgeregt wegen der Heimreise. Nach dem Frühstück habe ich dann auch in meinem Hotelzimmer meine Sachen umgepackt und für die Heimreise bereit gestellt. Für das Fahrrad wollte ich gestern hier in Bergen einen Fahrradsack kaufen. Habe vorgängig alles abgeklärt und war gestern in diesem Laden, doch leider hatten sie keine geeignete Tasche für mich. Mein Fahrrad sei zu gross, oder vielleicht sind die Taschen zu klein. Als Not habe ich für den Flug eine grosse Schachtel bekommen, und wir haben das Rad gleich auseinander genommen und sorgfältig verpackt. Schön, jetzt bin ich mit dem Velo zu diesem Laden gefahren und habe es nachher in einer Schachtel durch die halbe Stadt zum Hotel getragen. Das war so schweisstreibend, ich musste gleich unter die Dusche. Aber ich bin nun froh, dass es gut verpackt und reisebereit ist.
Meine Zeltunterlage kann man in eine grosse Tasche umwandeln, und das habe ich heute gemacht und alle anderen Taschen darin verpackt und verstaut. Keine Ahnung wie schwer die ganze Tasche wiegt, muss mich morgen am Flughafen überraschen lassen. Morgen werde ich mit dem Bus zum Flughafen fahren. Die Bushaltestelle ist etwa 300 Meter vom Hotel entfernt, also das wird nochmals einen Kraftakt geben. Das kommt schon gut, da habe ich keine Angst. Nach dem grossen Umpacken habe ich mich auf den Weg in die Stadt gemacht. Das Wetter war sonnig und warm, richtig angenehm. So bin ich nochmals durch die Touristenläden geschlendert und habe noch das eine oder andere gekauft. Die normalen Läden und Einkaufszentren sind am Sonntag jeweils geschlossen. Sehr interessant war es auf dem Fischmarkt. Die Verkäufer probierten mit ihren Verkaufskünsten die Ware an die Frau und den Mann zu bringen. Es war wirklich toll zum zuschauen und zuhören, richtig lebhaft. Ich habe mir auch ein riesen Sandwich mit Lachs, Krevetten und Krabbenfleisch gekauft, das ich dann am Abend im Hotel ass. Es war sehr sehr gut.
In Bergen hat es immer viele Strassenkünstler, doch an diesem Wochenende ist alles ganz anders. Es ist ruhig auf den Strassen und die Stimmung ist sehr bedrückt. Es tut mir Leid, wenn ich mich da wiederhole, aber es ist tatsächlich so. Am Nachmittag kam dann auch der angesagte Regen und es goss wie aus Kübeln und hörte nicht mehr auf. Ich habe mich dann aufs Hotelzimmer zurück gezogen und habe mich noch etwas hingelegt. Immer wieder geht mir meine Reise durch den Kopf und all die Erinnerungen werden wieder aufgefrischt. Natürlich denkt man auch an die Zukunft und überlegt sich, was man als nächstes machen könnte. Einige Ideen sind da schon noch vorhanden, an dem fehlt es nicht.
Es ist mir ein Bedürfnis an dieser Stelle allen ganz herzlich zu danken. Danke dass ihr mich über diesen Blog ans Nordkap begleitet habt. Danke für die vielen Gästebucheinträge und für die unterstützenden Worte, es war für mich ein super Erlebnis. Allen die mir im Vorfeld geholfen haben, dass ich überhaupt zu diesem Abenteuer starten konnte. Mein grösster Dank geht aber an meine Familie und meine Frau Irène die mich von Anfang an unterstützt hat. DANKE!!!
Erkenntnis des Tages: Nach dem Projekt ist vor dem Projekt.
25. Juli 2011 Heimreise
Mein letzter Reisetag steht bevor und ich freue mich extrem wieder nach Hause zu fliegen. Meistens ist es nach einem Urlaub umgekehrt, doch nach so einer langen und intensiven Zeit empfinde ich das ganz anders. Der heutige Tag verlief Generalstabsmässig wie am Schnürchen, alles hat gepasst und problemlos funktioniert. Zum Glück! Ich bin bereits um 7 Uhr aufgestanden und zum letzten Frühstück gegangen. Komisch heute brachte ich nur noch die Hälfte von der üblichen Menge runter, anscheinend hat sich der Körper respektive das Hungergefühl schon wieder normalisiert. Das soll auch so sein. Gestern habe ich plötzlich festgestellt, dass mein Velohelm fehlt! Ach du Schande, irgendwo vergessen, aber wo? Am Samstag entweder im Veloshop oder in der Hotellobby. Es war im Hotel, ich konnte mich erinnern, also bin ich noch gestern an die Rezeption und habe nach meinem Helm gefragt. Die Angestellte sah schon aus wie eine dumme Muh und war auch eine. Ohne gross nachzufragen und nachzuschauen hat sie nichts gefunden. Ich dachte mir, ich werde mein Glück am Morgen nochmals bei einer netteren Person versuchen. Und siehe da, er war schön versorgt in einem Schrank und so war mein Material wieder komplett.
Auf dem Zimmer habe ich dann alles verpackt und war bereit für den Reisestart. Da es sehr stark regnete musste ich einen günstigen Zeitpunkt abwarten, um mit meinem Fahrrad, das in der Kartonschachtel verpackt war, zur Bushaltestelle zu laufen. Sonst hätte sich allenfalls der Karton vor Nässe aufgelöst und ich wäre blöde da gestanden. So bin ich zuerst mit dem Fahrrad zur Station, habe es dort stationiert und habe anschliessend meine Tasche im Hotel geholt. Ich bin ja gespannt, wie schwer die Tasche sein wird, auf jeden Fall zum Tragen ist sie mega schwer. Im Flughafen konnte ich gleich einchecken, obwohl ich viel zu früh dort war. Schliesslich wollte ich auf Nummer sicher gehen. Das Gepäck wog 22 kg und mein Fahrrad 18 kg, somit konnte ich die Gewichtslimite knapp einhalten. Die nette Dame begleitete mich mit dem Fahrrad zum speziellen Röntgengerät für „Sperrgut“. Ach du meine Güte, die Schachtel war um 10 cm zu hoch! Die Dame und der Herr von der Gepäckabfertigung diskutierten heftig miteinander, und ich habe nicht viel verstanden aber ahnte Schlimmes. Aber siehe da, wieder einmal hat sich eine Frau durchgesetzt und gab mir das ok, und der Gepäckmensch hat mein Fahrrad irgendwo anderes gelasert. Alles aufgegeben ausser mein Handgepäck, das auch gegen die 10 kg wiegt, und nun hiess es warten bis zum Abflug nach Oslo. Der Flug nach Oslo dauerte etwa 40 Minuten, kaum in der Luft schon wieder am Boden.
Nach einer zwei stündigen Wartezeit hob der Flieger nun von Oslo Richtung Zürich ab, wo ich um 18.55 Uhr gelandet bin. Nachdem ich dann mein Gepäck zusammen gesammelt hatte, wurde ich von meiner Familie im Schweizer Look erwartet. Das Wiedersehen nach acht Wochen war wunderschön, logisch dass da die eine oder andere Träne floss. Ich freute mich meine Kinder, meine Frau und alle andern wieder in die Arme zu schliessen und zu spüren. Dann ging es mit dem Auto in die Innerschweiz nach Sarnen, nach Hause. Nicht ganz, zur Überraschung haben meine Eltern im Minigolf einen grossen Empfang vorbereitet. Freunde, Verwandte und Bekannte waren gekommen um mich wieder zu Hause zu begrüssen. Es war eine super schöne Überraschung und ich habe mich sehr darüber gefreut. Freude herrscht. Glücklich, zufrieden und sehr dankbar bin ich nun wieder zu Hause in meinem vertrauten Umfeld. Da dies nun der letzte Reisetag war, ist dies auch der letzte Blog-Eintrag. Ich danke allen Leserinnen und Leser, es war für mich eine grosse Freude und Ehre diesen Blog zu führen. Ich wünsche allen einen schönen Sommer, eine gute Zeit, hebid Sorg und mechids guet. Bis bald!
Takk og ha det bra.
Erkenntnis des Tages: Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei.